Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0228 - Der Leichenpfad

0228 - Der Leichenpfad

Titel: 0228 - Der Leichenpfad
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
hervortrat, und er setzte sich langsam in Bewegung, um auf den entsetzten Göpfert zuzugehen.
    Während er noch ging, drang ein dünner, heller Schleier aus seinem Mund, zu vergleichen mit einem Rauchfaden, aber das war kein Rauch, sondern ein geisterhaftes Plasma, das sich im Körper des Pfarrers befand und jetzt einen Weg suchte, um in die Freiheit zu gelangen.
    Vielleicht die Weiße Frau?
    Als Göpfert daran dachte, wurde er noch ängstlicher. Und er hörte auch das leise Jammern und Heulen aus dem Mund des Geistlichen, das ihm entgegengeweht wurde wie ein wimmernder Windhauch.
    Die Angst war da. Sie ließ sich nicht wegleugnen, und sie wurde immer größer.
    Jetzt streckte der Pfarrer seine Arme aus. Ein wenig ungelenk wirkten seine Schritte und ebenfalls die Bewegungen. Trotzdem konnte man sie als zielstrebig bezeichnen, denn das Ziel des Pfarrers war einzig und allein Göpfert.
    Der stand wie zur Salzsäule erstarrt und wußte nicht, wie er reagieren sollte. Irgendwie jedoch schaffte er es, zurückzugehen, stieß gegen den Wagen und wurde plötzlich von den kalten Händen der Leichen berührt, die über seinen Nacken strichen.
    Göpfert stöhnte vor Entsetzen.
    Da wieherte das Pferd schrill auf. Es war nicht mehr zu halten, zog mit einem Ruck an und riß auch den Wagen mit, an dessen Seite Göpfert seinen Halt gefunden hatte.
    Das geschah so schnell, daß sich der Mann nicht mehr fangen konnte und die Balance verlor.
    Mit dem rechten Bein knickte er zuerst weg, das linke folgte, und schließlich lag er am Boden.
    Der Pfarrer aber stand.
    Und kam auf ihn zu!
    Normalerweise überragte Göpfert den Geistlichen, er war fast einen halben Kopf größer als der Pfarrer, jetzt bekam der Mann Angst, so wie der Pastor breitbeinig heranstiefelte und seine Arme dabei schlenkerte.
    Eine grauenerregende Gestalt, ein wahres Monstrum, in Schwarz gekleidet, vom Nebel umwallt und mit einem fahlen Gesicht, wobei der Mund weiterhin offen stand und zwischen den Lippen das seltsame Plasma hervordrang.
    Gerade dieses Plasma interessierte Göpfert plötzlich. Es wurde vom Wind zwar erfaßt, aber nicht davon geweht, sondern sammelte sich über dem Kopf des Pfarrers und nahm dort die Konturen einer Gestalt an.
    Die Weiße Frau!
    Wie ein Blitzstrahl zuckte der Gedanke im Kopf des Mannes auf.
    Ja, das war die Weiße Frau, es gab für ihn keine andere Erklärung, dieses unheimliche Gespenst, von dem die Dorfbewohner immer redeten, existierte in Wirklichkeit.
    Göpfert bekam eine so große Angst, daß seine Zähne abermals hart aufeinanderschlugen und ein klapperndes Geräusch die herrschende Stille unterbrach.
    Die Weiße Frau!
    Wie oft hatte er sich davor gefürchtet, hatte schon als kleiner Junge den Erzählungen gelauscht, und jetzt stand sie tatsächlich vor ihm. Sie schwebte, den Boden brauchte sie nicht zu berühren, weil sie ein Geistwesen war, ein unheimliches Geschöpf aus einer seltsamen Welt.
    Göpfert hörte nicht, wie das Pferd fluchtartig weiterrannte und den Leichenkarren hinter sich herschleuderte, er sah nur den Schrecken vor sich.
    Der Pfarrer und die Weiße Frau — ein gefährliches Duo. Ein grausames Tandem, das Göpfert keine Chance lassen würde.
    Der Pfarrer hatte fast die Füße des auf der Erde sitzenden Mannes erreicht. Er brauchte sich jetzt nur noch vorzubeugen, dann konnte er Göpfert packen.
    Der Mann ruckte zurück. Die Kraft, noch einmal auf die Beine zu kommen, hatte er nicht mehr. Er hob nur den Arm, winkelte ihn dabei an und schützte sein Gesicht.
    Es nutzte nichts. Eiskalt ging der unheimliche Pfarrer seinen Weg.
    Er war nicht mehr der gleiche, der er noch vor einigen Stunden gewesen war, der Geist hatte ihn völlig verändert, und als er sich vorwarf, da konnte er mit einem Hieb den Arm zur Seite schleudern, so daß die Kehle des Mannes vor ihm lag.
    Göpfert riß noch die Augen auf. Entsetzen beherrschte seinen Blick, und im nächsten Augenblick spürte er Hände an seinem Hals, die heiß wie Feuer brannten.
    Gnadenlos drückten sie zu.
    Göpfert fiel nach hinten. Er wehrte sich auch nicht mehr und spürte, daß er langsam der Schwelle des Todes entgegenglitt. Das Letzte, was er in seinem Leben hörte, war ein hämisches Lachen, dabei wußte er nicht, ob es die Weiße Frau oder der Pfarrer ausgestoßen hatte. Dann erreichte ihn der Tod…
    ***
    Die Überlebenden des Bomben-Angriffs warteten. Sie waren unruhig, nervös. Einer hatte Tabak aufgetrieben. Zigaretten wurden mit Zeitungspapier gedreht, man
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher