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021 - Aufbruch in die 'Neue Welt'

021 - Aufbruch in die 'Neue Welt'

Titel: 021 - Aufbruch in die 'Neue Welt'
Autoren: Jo Zybell
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Brieföffner, Knochen und Stifte ragten.
    Der ganze Raum hing oder stand voller rätselhafter Dinge, an denen ein menschliches Auge für Stunden verweilen konnte - Waffen, Bücher, Vasen, Werkzeuge, getrocknete Pflanzen, ausgestopfte Tiere, Drusen, Wandteppiche, Landkarten, Bilder… Doch das Erste, was den Blick jedes Besuchers sofort einfing, waren die beiden dorischen Säulenschäfte rechts und links des Schreibtisches.
    Sie ragten aus weiß gestrichenen und mit Kies gefüllten Holzpodesten. Auf dem Akabus der linken saß ein Totenschädel, auf dem der rechten ein Globus - aus dünnem durchbrochenen Bronzeblech, etwa anderthalb Ellen im Durchmesser und mit aufklappbarem Nordpol, sodass man eine Leuchte hineinstellen konnte.
    Kapitaan Colomb stand neben der Kugel und betrachtete sie aufmerksam, in seinen langen knochigen Händen ein Buch.
    Oder vielmehr die Überreste eines Buches. Etwa zwei Finger dick und mit ausgefranstem, zerbröselndem und teilweise angesengtem Block sah es von fern eher aus wie ein Stück wertloses Abfallholz, das die Glut übrig gelassen hatte. Doch Kapitaan Colomb hielt es in den Händen wie ein Kleinod. Und für ihn war es das auch - der größte Schatz, den er besaß.
    Da der Einband verloren gegangen war, lange bevor das Buch in Colombs Besitz gelangte, hatte er es in schwarzes Taratzenleder gebunden, das er jedesmal sorgfältig zuschnürte, bevor er das Buch aus der Hand legte.
    Eine steile Falte stand über seiner Hakennase zwischen den grauen Brauen. Der Zeigefinger der Rechten fuhr abwechselnd und äußerst behutsam über einzelne Zeilen der Buchseite, die er gerade studierte, und über den Globus. Manchmal kniff er die Augen zusammen, nickte und beugte sich dann über seinen Schreibtisch, um etwas in ein Schreibheft zu notieren oder in einer der dort zwischen den Büchern ausgebreiteten Landkarten zu verzeichnen.
    Irgendwann legte er einen Lederstreifen in das Buch, klappte es zu und schritt nachdenklich zu dem mittleren der drei hohen Spitzbogenfenster des Raumes. Fast stündlich pflegte er das zu tun.
    Durch das Fenster konnte er hinunter auf den Hafen blicken. Wakuda-Karren, beladene Frekkeuscher und menschliche Lastenträger drängten sich dort unten am Kai aneinander vorbei, rollten oder liefen hinaus auf die Piere oder kamen von dort zurück, vollbepackt mit den Frachtgütern der Schiffe, die sie in La- gerhallen des Hafens oder auf den Markt im Stadtzentrum von Plymeth transportierten.
    Zehn, zwölf Frachtkähne und Ruderboote konnte Colomb vom Fenster aus sehen. Die meisten aus Plymeth. Eine kleine Galeere sah nach einem Schiff aus Tuurk aus.
    Vier größere Schiffe lagen im Blickfeld des Kapitaans. An dem Pier rechts seines Hauses ein wuchtiger Dreidecker, ein Liniensegler der Stadtstreitkräfte. Am linken Pier eine Karavelle aus Espaana und eine alte Kogge aus Doyzland. Und am Pier direkt unter Colombs Fenster sein ganzer Stolz: Ein großer Katamaran mit zwei Segelmasten und dem Schornstein einer Dampfmaschine im Heck - die Santanna, Kapitaan Colombs eigenes Schiff. Er konnte es nicht oft genug betrachten. Die Santanna - Musik in seinen Ohren allein ihr Name. Musik, die Colomb durch seine Tage und Nächte begleitete. Die Santanna - mehr als nur ein Schiff: Eine Pforte, durch die er den Traum sei- nes Lebens betreten wollte.
    Bewaffnete Matrosen patrouillierten an der Landungsbrücke vor dem Schiff. In drei Schichten ließ der Kapitaan seinen Katamaran bewachen. Von Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang. Immer sechs kampferprobte Seeleute lösten sich in drei Wachschichten ab. Kapitaan Colomb hatte Grund für derartige Vorsichtsmaßnahmen.
    Missmut erfüllte ihn, als er an den toten Fylladschio dachte. In zwei Tagen wollte der Kapitaan aufbrechen und Kurs nehmen auf seinen Lebenstraum. Der Fehltritt seines Zweiten Lytnants hatte ihn um drei Tage zurückgeworfen. Ohne Steuermann konnte er schlecht in See stechen.
    Er presste die Stirn an das Fensterglas und beugte sich bis an den linken Rand des Fensters. Auch das pflegte er fast stündlich zu tun. Denn aus dieser Perspektive konnte er den Pier rechts neben dem großen Liniensegler der Stadtstreit- kräfte einsehen. Dort lag ein Dreimaster, ein Schiff aus Fraace. »Krahac« hieß es. Ein Name, der Colomb Ekel verursachte. Die Krahac war das Schiff seines Konkurrenten…
    Jemand klopfte an die Tür. Colomb fuhr herum. »Wer ist da?«
    »Tuman.« Eine dumpfe Stimme hinter der Tür. »Euer Erster Lytnant.«
    »Tritt ein.« Colomb
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