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0207 - Der Mann, der nicht sterben konnte

0207 - Der Mann, der nicht sterben konnte

Titel: 0207 - Der Mann, der nicht sterben konnte
Autoren: Jason Dark
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andere.
    Als ich mich umdrehte, und nicht mehr das erstaunte und ratlose Gesicht des Wirts sah, war der andere verschwunden.
    Im gleichen Moment erwachten auch die Gäste aus ihrer Erstarrung. Am Fenster hielt sie nichts mehr. Sie redeten durcheinander, sprachen wirr aufeinander ein. Sie stürmten zum Tresen, drängten sich dabei auch in der Mitte des Lokals zusammen, so daß ich große Mühe hatte, mir einen Weg zu bahnen. Eine Niederlage hatte ich zwar hinnehmen müssen, aber entkommen lassen wollte ich den Kerl nun doch nicht. Man konnte ihn als eine lebende Zeitbombe bezeichnen, er durfte nicht weiterhin frei herumlaufen, sonst wurde er zu einer Gefahr für die Menschheit.
    Im Laufen hob ich meine Beretta auf, erreichte die Tür, sah in den Gang, der noch leer war, und lief in Richtung Treppe.
    An deren Ende blieb ich stehen.
    Der Mann mit der Pelzmütze stand etwa auf der Treppenmitte.
    Frech schaute er mich an.
    »Keinen Schritt weiter!« schrie ich, »oder ich schieße!«
    Er lachte nur.
    Ich erinnerte mich verdammt gut daran, daß er durch seine Kraft dafür gesorgt hatte, daß ich die Waffe verlor. Ich befand mich jetzt in einer Situation, wo ich den anderen stoppen mußte, wenn ich mehr Unheil verhüten wollte.
    Deshalb schoß ich.
    Ich wollte ihn nicht töten und hatte auf sein Bein gezielt. Das geweihte Silbergeschoß, in seiner Wirkung ähnlich einer mormalen Bleikugel, hieb hinein. Es traf den Mann in den rechten Oberschenkel.
    Jetzt mußte er zusammenbrechen.
    Das geschah nicht. Der Kerl ging tatsächlich weiter, als wäre nichts geschehen.
    Meine Augen wurden groß. Zwei Sekunden brauchte ich, um die Überraschung zu verdauen. In der Zwischenzeit war der andere schon wieder vorgegangen und hatte sich ein paar Yards von mir entfernt.
    Das war ein Ding der Unmöglichkeit.
    Trotz meiner Schmerzen im Rücken sprang ich die nächsten drei Stufen hinab und lief genau in die Falle.
    Der Mann manipulierte die Materie. Er spielte mit ihr, denn mit Schrecken stellte ich fest, wie sich die Stufen vor mir plötzlich auflösten. Sie wurden zu einer breiigen Masse, erinnerten mich an rötlichen Schlamm, und der unheimliche Vorgang breitete sich von unten nach oben aus. Der Reihe nach verschwanden die Stufen.
    Mir blieb keine andere Chance, als zurückzulaufen. Bevor ich in diesem seltsamen Schlamm steckenblieb, machte ich kehrt und sprang die restlichen vier Stufen wieder hoch.
    Sie blieben verschont, weil der andere die Flucht ergriff. Ich hörte seine Schritte, aber ich konnte ihm nicht folgen, die Hälfte der Treppe vor mir war noch eine flüssige, heiße und qualmende Masse.
    Wütend und ratlos blieb ich zurück.
    Aus der Kneipe kamen die Gäste. Erregt diskutierten sie miteinander und schauten dann auf die Treppe.
    So etwas hatten sie noch nie gesehen. Fragen prasselten auf mich nieder. Antworten gab ich nicht, sondern machte kehrt und rückte mich an den Neugierigen vorbei.
    Ich mußte unbedingt telefonieren. Der Apparat stand hinter der Theke. Die Nummer meines Büros kannte ich im Schlaf. Suko meldete sich sofort. Er lachte, als er meine Stimme hörte. »Auch ohne dich steht das Yard Building noch, John. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, hier wird alles ge…«
    »Halt die Luft an, Partner«, sagte ich, »und komm zum Trafalgar Square. Ich habe eine Zeitbombe für dich.«
    »Wie?«
    »Keine Fragen jetzt.« Ich gab dem Chinesen die genaue Adresse an und legte auf.
    Als ich mich umdrehte, stand der Wirt neben mir. »Was soll ich denn jetzt machen?« fragte er.
    Ich deutete auf die Zapfsäule. »Schenken Sie weiter Bier aus. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.« Dann verließ ich die Kneipe mit einem verdammt unguten Gefühl.
    ***
    Die Treppe hatte ich mit einem Sprung hinter mir gelassen. Es war einfach keine andere Möglichkeit da, nach unten zu gelangen. Der Verkehr lief bereits wieder. Allerdings standen noch zahlreiche Polizisten herum, und ich sah auch den Wagen der Mordkommission.
    Die Kollegen interessierten mich nicht, ich suchte Lady Sarah Goldwyn, sie konnte mir sicherlich mehr sagen.
    Es war nicht einfach, die Horror-Oma in dem Gewühl zu finden.
    Sie sah mich zuerst.
    »Sinclair!« hörte ich hinter mir eine Stimme, die mehr aufstöhnte als spach.
    Auch ohne mich umzudrehen, wußte ich, wer da in meinem Rücken stand. Chefinspektor Tanner.
    Ich sah ihn trotzdem an. Er sah aus wie immer. Auf dem Kopf trug er seinen alten Filz, und das zerknitterte Gesicht zeigte noch ein paar Falten mehr.
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