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0204 - Vorm Frühstück eine Kugel

0204 - Vorm Frühstück eine Kugel

Titel: 0204 - Vorm Frühstück eine Kugel
Autoren: Vorm Frühstück eine Kugel
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paß inzwischen auf, ob Gäste kommen.« Der Junge nickte eifrig. Als ich mit Lieser in die Küche ging, fing ich einen Blick von ihm auf. Es war der Blick einer Schlange, die auf ihr Opfer Wartet.
    Sam Lieser schloß die Küchentür hinter sich und raunte mir zu:
    »Vergiß nicht, was ich dir wegen des Jungen gesagt habe! Er muß weg. Sobald ihr den Wagen in die Garage gebracht habt, besorgst du das. Wenn du es gescheit anfängst, kann dir nichts passieren! Klar?«
    Ehe ich antworten konnte, schlug das Telefon an. Lieser zuckte zusammen. Er schob mich hastig zur Tür hinaus, »Haut ab! Es ist spät genug!« rief er. Der Junge und ich verließen das Lokal. Als wir auf die Straße traten, hörte ich noch einmal das Klingeln des Telefons.
    ***
    Diesmal ging die Fahrt nicht so weit wie am letzten Abend. Wir belieferten nur neun Lokale, die zwischen der 42. und 58. Straße im Westen lagen. Trotzdem wurde es halb vier, bis wir endlich die letzte Lieferung abgegeben und das Geld dafür kassiert hatten.
    Das Lokal, das als letztes an der Reihe gewesen war, lag an einer Ecke. Von beiden Straßen her konnte man in den Hof fahren. Der Junge war im Führerhaus geblieben, als ich mit dem Wirt, einem bärenstarken Mann von gut zweihundert Pfund, hineinging zur Abrechnung.
    Er wollte mir einen Gin einschenken, aber ich lehnte ab mit dem Hinweis, daß ich ja den Lastwagen zu steuern hätte. Er zuckte die Achseln und zählte mir Geld auf die Theke, über die eine einzige, trübe Lampe einen schwachen Lichtschimmer vergoß.
    Ich fegte die Scheine zusammen und stopfte sie in die Hosentasche.
    »Bis zum nächsten Mal!« sagte ich.
    Er nickte und ließ mich hinaus. Ich achtete keine Sekunde darauf, daß im Führer haus niemand saß. Mir ging diese vertrackte Geschichte mit dem Jungen im Kopf herum. Wie sollte ich es machen, daß Lieser glauben mußte, ich hätte den Jungen tatsächlich getötet?
    Ich war schon so weit an den Lastwagen herangekommen, daß ich das linke Bein hob, um aufs Trittbrett zu steigen, ln diesem Augenblick hörte ich plötzlich ein scharrendes Geräusch hinter mir.
    Ich fuhr herum. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich das haßverzerrte Gesicht des Jungen wie in Großaufnahme vor mir. Dann krachte mir etwas mitten auf den Schädel. Einen Herzschlag lang zuckten feurige Räder durch mein Gehirn. Gleich darauf wurde es dunkel in meinem Gehirn.
    Irgendwann später wachte ich auf, in meinem Schädel war eine gräßliche Unordnung. Ich schüttelte den Kopf, aber da wurde es noch schlimmer.
    Bis ich merkte, daß ich auf der Ladefläche eines Lastwagens, lag, dauerte es eine hübsche Weile. Bis mir außerdem klar wurde, daß dieser Lastwagen fuhr, verging noch einmal einige Zeit. Als ich endlich halbwegs wieder auf dieser Welt war, hielt der Wagen auch schon an.
    Ich schloß die Augen bis auf einen kleinen Spalt. Deutlich hörte ich in der Nähe das Plätschern von Wasser. Die Tür des Führerhauses wurde krachend zugeschlagen. Leise Schritte tappten um den Lastwagen herum.
    Die Ladeklappe wurde herabgelassen. Ich öffnete die Augen einen schmalen Spalt breit und sah das Gesicht des Jungen, der zu mir herüberblickte. Ich blieb reglos liegen. Der Junge entfernte sich wieder.
    Ein paar Sekunden kämpfte ich mit einer fürchterlichen Übelkeit. Eine Gehirnerschütterung pflegt sich ja immer auf diese Weise bemerkbar zu machen. Aber nach einiger Zeit tappten die Schritte des Jungen wieder heran, und meine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt.
    Inzwischen war die Morgendämmerung angebrochen. Das Stück Himmel, das ich sehen konnte, war grau und von dunklen Wolkenfetzen unterbrochen. Es schien ein regnerischer Tag zu werden.
    Der Junge erschien wieder. Er stellte eine alte Weißblechdose auf die Ladefläche und kam selbst heraufgeklettert. Ich sah, wie er die Dose wieder nahm und damit auf mich zumarschierte.
    Gleich darauf ergoß sich ein Schwall eiskalten Wassers über meinen Schädel. Ich schnaufte und regte mich.
    »Steh auf!« befahl der Junge.
    Ich hob erst einmal den Kopf.
    Er stand breitbeinig neben mir und hielt eine Pistole in der Hand. Es sah ganz danach aus, als ob Sam Liesers Auftrag, daß ich den Jungen umbringen sollte, ins Gegenteil gekehrt würde.
    Ächzend rappelte ich mich hoch. Bei jeder Bewegung zuckten gelbe Blitze durch mein Gehirn. In meinen Ohren ertönte ein stetes Brummen, aber es kam von innen, aus meinem Kopf heraus.
    »Kannst du gehen?« fragte der Junge, Ich sah ihn an. Er wich meinem Blick nicht
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