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020 - Zug der Verlorenen

020 - Zug der Verlorenen

Titel: 020 - Zug der Verlorenen
Autoren: Michael J. Parrish
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finsterste Nacht. Er vermochte nicht zu sagen, wie viel Zeit verstrichen war - noch war der fahle Schein der Morgendämmerung nicht zu sehen.
    Aruula und die meisten anderen Gefangenen schliefen. Im Halbdunkel sah Matt, wie sie reglos auf dem Boden kauerten, gerade so, wie sie irgendwann im Lauf der Nacht eingeschlafen waren.
    Matt fühlte jeden Knochen in seinem Körper. Seine Muskeln schmerzten, seine Gelenke und sein Nacken waren wie erstarrt. Vorsichtig, um die Aufmerksamkeit der Wachen nicht auf sich zu lenken, versuchte er sich ein wenig zu bewegen. Er drehte den Kopf - und sah, dass in Emrocs Zelt Licht brannte.
    Das war ungewöhnlich, denn normalerweise pflegte der Sklavenmeister um diese Zeit den Schlaf des Ungerechten zuhalten und von dem Mammon zu träumen, den ihm seine Sklaven auf dem Markt von Plymeth einbringen würden. In dieser Nacht jedoch war Emroc auf den Beinen. Gegen den purpurfarbenen Stoff der Zeltwand konnte Matt die Umrisse des feisten Sklavenmeisters sehen, die sich gegen das flackernde Licht der Kerzen abzeichneten. Wie ein Tiger in seinem Käfig schlich Emroc auf und ab. Unruhe schien ihn umzutreiben. Bei ihm stand ein hagerer Mann, der die lederne Rüstung von Emrocs Wachen trug - offenbar ein Späher, den der Sklavenmeister voraus geschickt hatte.
    ***
    Es war still über der Lichtung, und der Wind kam von der richtigen Seite, sodass Matt das Meiste von dem verstehen konnte, was im Zelt gesprochen wurde.
    »…ist das möglich? Die Walac und die Estaru haben lange Zeit Frieden gehalten.«
    »Jetzt liegen sie wieder im Krieg, Meister«, erstattete der Späher mit unterwürfiger Haltung Bericht. »Die Nordroute ist nicht sicher. Einige Meilen von hier habe ich die Überreste einer Händlerkarawane entdeckt, die zu den Walac unterwegs war. Die Estaru haben sie ausgeraubt und alle Händler getötet. Ihre Köpfe stecken auf Spießen unweit der Straße.«
    »Auf Spießen…?« Matt konnte hören, wie Emrocs Stimme heiser wurde.
    »Die Route ist nicht sicher, Meister«, wiederholte der Späher beschwörend. »Das ganze Grenzland ist in Aufruhr. Ihr müsst die Küstenroute wählen.«
    »Die Küstenroute?« Emroc fuhr wie ein Kreisel herum. »Bist du nicht gescheit? Weißt du nicht, was man sichüber die Küstenlande erzählt?«
    »Ihr solltet nichts auf das geben, was man in irgendwelchen Dorfschänken tuschelt.«
    »Leichtsinniger Idiot! Du weißt nicht, was du sprichst. Das ist kein Dorfgeschwätz! Es gibt sie! Ich weiß es! Alle wissen es, und sie meiden die Küste aus gutem Grund.«
    »Dennoch, Meister«, wandte der Scout ein.
    »Ihr habt keine andere Wahl. Entweder wir bleiben auf der Nordstraße und werden spätestens in zwei Tagen tot sein, oder wir versuchen unser Glück an der Küste.«
    »Verdammt«, erwiderte Emroc voller Inbrunst. »Verdammt noch mal…«
    Matt runzelte die Stirn. Er kannte den Sklavenmeister nicht besonders gut, doch am Tonfall und den unbeholfenen Gesten, die den runden Körper des Eunuchen umschwirrten, glaubte er deutlich zu erkennen, dass Emroc Angst hatte.
    Der Sklavenmeister schien sich davor zu fürchten, die Route zu ändern und an der Küste entlang nach Plymeth zu marschieren - aber wieso? Was war dort, das so schrecklich war, dass sich der mächtige Sklavenmeister derart davor ängstigte?
    Matt fühlte, wie sich ein dunkler Schatten über sein Innerstes legte, eine unheilvolle Ahnung - die sich schon bald auf schlimmste Art bestätigen sollte.
    Bei Anbruch der Dämmerung wurden die Sklaven geweckt. Mit wüstem Geschrei rissen Emrocs Leute die Gefangenen aus dem Schlaf, zerrten sie grob auf die Beine, wenn sie nicht sofort aufsprangen.
    Weder gab es Gelegenheit zur Morgentoilette noch Proviant - die Vorräte des Zugs waren knapp bemessen und wurden streng rationiert. Lediglich Emroc gönnte sich ein ausgiebiges Frühstück aus Speck und gebratenen Emlot- Eiern, deren Duft den Sklaven in die Nase stieg und ihre gereizten Mägen nur noch mehr quälte. Einige der Sklaven wurden ausgesucht, um den Abbau von Emrocs Zelt zu übernehmen. Danach wurden sie wieder in die Horde zurückgetrieben und der leidvolle Marsch ging weiter.
    Am Stand der Sonne erkannte Matt sofort, dass sich ihre Marschrichtung geändert hatte - offenbar hatte sich Emroc also entschieden, den Ratschlag seines Scouts zu befolgen und nach Nordwesten zu gehen.
    Auch Aruula blieb dieser Umstand nicht lange verborgen. Leise flüsternd verständigte sie sich mit Matt, der in der Reihe hinter ihr
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