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02 Jesses Maria: Wechseljahre

02 Jesses Maria: Wechseljahre

Titel: 02 Jesses Maria: Wechseljahre
Autoren: Carla Berling
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damit kann ich die Speisekarte nicht lesen. Wenn man kurz- und weitsichtig ist, ist das blöd. Ich könnte mir ne Gleitsichtbrille besorgen, aber ich kann die nicht ab. Ich hab mal Connys Brille versucht, die hat Gleitsicht, das war eine Katastrophe. Ich hatte das Gefühl, neben die Treppenstufen zu treten, der Bürgersteig war gewölbt und Connys Hund sah plötzlich viel kleiner aus.
    Ich muss zwischen Lese- und Weitsichtbrille wechseln. Mit Kontaktlinsen seh ich zwar viel besser aus, aber damit kann ich nah nicht scharf sehen. Schade.
    Wenn, nur angenommen, ich hab mir jetzt nix vorgenommen, also wenn ich mit dem Hubert noch, sagen wir, Kaffee trinke, dann ist es schon ein Jammer, dass ich nah nicht scharf sehe. Oder eine Gnade, das stellt sich dann noch raus.
    Also: Haare offen, Brille. Die Augen, wie schmink ich die Augen? Kajal? Wenn ich den wasserfesten finde, ist Kajal gut. Nicht mehr so gut wie früher, weil ich mit dem Stift jetzt die Falten vor der Mine herschiebe, aber wenn ich ihn drei Sekunden in die Mikrowelle lege, ist die Mine weich, dann geht das. Wasserfeste Wimperntusche ist klar. Gibt ja nix schlimmeres, als wenn man danach erschöpft in den Kissen liegt und um die Augen verschmiert ist.
    Gut, dann hab ich an alles gedacht.
    Der Abend kann kommen.
    Hubert sieht fantastisch aus. Er hat ein Sakko mit rotem Futter an! Das ist ein verrückter Kerl.
    Manieren hat er auch. Begleitet mich zum Tisch, als wär ich ein Filmstar. Hoffentlich hat er das mit dem Stuhl unter den Hintern schieben geübt.
    Sehr schönes Lokal, dieses Bons Restaurant. Ganz modern und hell, keine Strohblumen oder Wagenräder wie beim Italiener.
    Echte Stoff-Servietten, keine von Zewa. Ob das mit dem Servietten-Falten so ähnlich geht wie Conny das bei ihren Origami-Sachen macht? Die schönen Blumen fühlen sich echt an. Silberbesteck. Das kann nicht in die Spülmaschine! Da haben die aber viel zu tun.
    Wie lange war ich nicht essen?
    Der Chef setzt sich zu uns und erklärt, dass es keine Speisekarte gibt. Nur frische Sachen. Er fragt, was wir nicht essen möchten.
    Ich esse alles außer fettem Fleisch und Blutwurst und Innereien.
    Aperitif? Ach du liebe Güte. Was nehm ich denn? Hubert sucht was aus.
    Variation vom Bonito mit Tatar, Carpaccio und im Noriblatt gebacken. Was zum Teufel ist das?
    Ja, bitte wählen Sie die Getränke aus, Hubert, ich vertraue Ihnen voll und ganz. „Mit einem Aperitif in Form eines Roséchampagners eröffnen wir den kulinarischen Abend.“
    Na denn. Wie der heute redet, so kenn ich ihn aus der Firma gar nicht. Der hat wirklich ein zweites Gesicht.
    Gut, dass ich weiß, dass man die Gläser nur am Stielanpackt, das kenn ich von der Weinprobe, bei der ich mit Tamara mal so fürchterlich abgestürzt bin. Heute muss ich aufpassen, denn wenn der bei fünf Gängen zu jedem Gang was anderes bestellt, bin ich in einer Stunde dicke.
    Der Kellner ist ein zuckersüßes Sahneschnittchen. Könnte mein Sohn sein. Wieso bringt der denn - wir haben das nicht bestellt!
    Aha. Gruß aus der Küche. Das ist ein feiner Zug. Kleine Hummerterrine an Chilidip und krosser Petersilie.
    Soso. Ich kenne Suppenterrine.
    Das hier ist eine Mini-Scheibe gepresstes Irgendwas in altrosa, ein schwarz frittiertes Blatt und drei Tropfen durchsichtiger Schleim mit roten Punkten. Chili.
    Ist das wirklich umsonst? Bestellt haben wir‘s ja nicht, dann dürfen die das auch nicht berechnen. Sind ja nur Häppchen. Aber ganz lecker, das muss ich sagen.
    Hubert: „… dass man in wenig Masse sehr viel Geschmack vereinen kann.“
    Als Vorspeise gibt es „Süppchen von jungen Erbsen
    mit gebratener Jakobsmuschel“.
    „Hier zeigt sich, das der Küchenmeister auf einfache Weise und mit einfachen Produkten eine Variation auf den Teller zaubert, die geschmacklich wie optisch überzeugt.“
    So kann man das auch sagen, ja.
    Der Kellner ist unglaublich auf Zack. Mein Wasserglas ist nie länger als eine Minute leer. Ich gebe dem nachher zwei Euro extra. Solche Fürsorge am Gast muss man honorieren, sonst verliert der die Lust am arbeiten.
    Der Kellner hat kaum abgeräumt, da kommt auch schon der Zwischengang: Graupenrisotto an Grünkohl und gebratener Hummer.
    „Perfekt gegarter Hummer auf geschmacklich wunderbar angerichtetem Risotto lassen meine Vorfreude auf den Hauptgang weiter aufblühen…“
    Ob Hubert das alles so meint, wie er das sagt?
    Deichlamm auf zwei Arten an Bohnengemüse und Rosmarinkartoffeln. „Ganz kross gebratene Schulter und
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