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02 Jesses Maria: Wechseljahre

02 Jesses Maria: Wechseljahre

Titel: 02 Jesses Maria: Wechseljahre
Autoren: Carla Berling
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beziehen und mir den Betrieb angucken. Dabei kann ich die Brille noch mal aufsetzen.
    Viele Badekappen auf grauem Haar. Gut, es ist zehn Uhr vormittags, da ist hier Rentnertreffen. Vielleicht ist der Abend für mich günstiger? Wenn die berufstätigen Männer hier schwimmen? Aber dann sind bestimmt auch jüngere Frauen da und ich bin wieder unsichtbar. Unter den Rentnern hier bin ich die jüngste und das sieht man auch.
    Der alte Mann da drüben wirkt gutgelaunt und hat einen richtig drahtigen Körper. Blöd, dass viele Männer im Alter so dünne Beine kriegen und keinen Hintern mehr haben. Der da hat braungebrannte Lederhaut unter weißer Brustwolle. Luis Trenker in Boxershorts. Die Füße sind auch okay.
    Links im Schwimmbecken haben sie die Bahnen mit rotweißen Kugelstrippen abgeteilt, das ist reserviert für Streckenschwimmer. Da werde ich gleich zwei Bahnen schwimmen. Das sind fünfzig Meter, die schaffe ichsicher, ich fange langsam an.
    Luis Trenker hat das Prinzip aber nicht verstanden: Man soll hier im Rechtsverkehr im Uhrzeigersinn schwimmen. Jetzt hat er mich schon zweimal links überholt, und jedesmal hat er mich angerempelt. Ekelhaft ist das, wenn man den nackten Fuß eines fremden Mannes am Schenkel spürt. Macht hier einen auf Sportschwimmer mit seiner blöden Schwimmbrille. Sieht aus wie ne Stubenfliege. Man kann ja nicht mal was sagen, dann schluckt man Wasser.
    Das Wasser riecht nicht so stark nach Chlor wie in meiner Jugend. Früher erinnerte mich der Geruch im Hallenbad immer an Gurkensalat.
    Ich will gar nicht dran denken, wie viele Hautschüppchen von welchen Körperstellen hier im Wasser schwimmen.
    So, zwei Bahnen, fünfzig Meter sind das, das muss reichen. Ich bin zwar noch nicht ins Schwitzen gekommen, wie man das bei richtigem Sport eigentlich sollte, aber das ist ja heute nur zum Orientieren. Kann man beim Schwimmen überhaupt schwitzen? Hitzewellen hatte ich jedenfalls hier noch keine.
    Jetzt bin ich zwanzig Minuten hier, bezahlt habe ich für zweieinhalb Stunden, nach Hause kann ich also noch nicht. Ich wickele mich ins Handtuch, setze die Brille auf und gehe ein bisschen spazieren.
    Gut, dass ich die Badeschlappen anhabe.
    Die Badekappen spielen Wasserball. Die eine hat Haarbüschel unter den Achseln, die sehen aus wie nasses Heu.
    Luis Trenker geht zum Dreimeter-Brett. Irre ich mich, oder grinst der mich an? Tatsächlich, er guckt, ob ich gucke. Nettes Lächeln. Die Zähne waren teuer, die sitzen gut und sind weder gelb noch zu groß. Die Badehose ist ein bisschen weit. Ob es in Männerbadehosen auch solche Miedereinsätze gibt wie bei meinem Badeanzug? Damit vorne nix zu sehen ist und nix schlabbert, wenn er geht? Luis Trenker steht ganz oben auf dem Dreier und macht Gymnastik. Arme hoch, Arme zurück, in die Knie, wippen, trippeln auf der Stelle. Er wiederholt die Übung. Er lächelt in meine Richtung. Ich winke ihm zu. Kann man ja mal machen, schadet ja nix. Luis lächelt wieder und macht noch mal dieselbe Übung. Ich lächele, winke und nicke mit dem Kopf. Das muss jetzt wirklich reichen, wir wollen es nicht übertreiben. Luis grinst mich wieder an, schlenkert noch mal die Extremitäten, macht noch eine Kniebeuge. Jetzt verstehe ich! Der sieht gar nicht, dass ich zurück lächle! Der ist ohne Brille.
    Wenn ich es mir richtig überlege, möchte ich auch gar nicht ihm flirten. Soweit ist es nun doch nicht, dass ich einen Siebzigjährigen nehmen muss. Auch wenn er sogar in der Badebuxe charmant aussieht. Von so einem hab ich ja nix. Wenn man den gut pflegt, hält der noch fünfzehn Jahre, dann bin ich aber erst Mitte sechzig. Und dann, dann krieg ich nur noch die Scheintoten. Nein, ich werde nächstes Mal am Abend schwimmen gehen und mich nach einem knackigen Mann um die vierzig umsehen.
    Ich will eine Geliebte sein und keine Altenpflegerin.

Der Mann mit den Möpsen
    Seit einer Woche hüte ich jetzt Tamaras Wohnung in Köln. Tamara ist in Kur. In Oberstaufen, zur Schrothkur. Sie zahlt ein Vermögen dafür, dass sie außer Blättern und Körnern nichts zu essen kriegt.
    „Tante Maria“, hat sie gesagt, „Tante Maria, ohne Verzicht kein Genuss, ohne Kampf kein Sieg, ohne Reinigung keine Heilung. Das ist das Wesen der Schrothkur.“
    Heilung wovon?, habe ich gefragt, und sie hat gemeint: „Vom Alltag und von seinen Folgen.“
    Ich finde, man macht irgendwas falsch, wenn man seinen Alltag so gestaltet, dass man davon bekloppt wird und für ungewürzte Körnerbrühe, Leitungswasser
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