0191 - Sing-Sing ist kein Erholungsheim
kostbaren Pelzmantels, den sie trotz der warmen Witterung trug. »Sie können wieder raufkommen! Es ist vorbei. Der Mann ist tot.«
Die Frau richtete sich auf. Ihr Gesicht war blaß, aber sie hielt sich ziemlich tapfer.
Einen scheuen Blick warf sie hinaus auf den Toten. »Er ist richtig tot?« sagte sie tonlos.
»Ja.«
Sie preßte die Lippen aufeinander. Sie konnten nicht blaß werden, denn sie waren musterhaft genau mit Lippenrot nachgezogen.
»Woher kennen Sie diesen Mann?« fragte ich.
Sie sah mich aus ihren großen Augen an. »Ich?« wiederholte sie verständnislos. »Aber ich kenne ihn nicht! Er stand hier, als ich anhalten mußte. Er wolle mir behilflich sein, sagte er. Und dann fing er an, die Steine wegzuräumen. Bis Sie auf einmal auftauchten.«
»Aha.«
Die Sache war uns durchaus klar. Wolters mußte an einem der Seile von oben herabgekommen sein. Natürlich. Er gehörte doch zu den Leuten, die diesen Überfall geplant und ausgeführt hatten.
»Es tut mir leid, Miß…«
»Forthydes«, sagte sie. »Eileen Forthydes.«
»Sehr angenehm, Miß Forthydes. Ich heiße Cotton. Das ist mein Freund Decker. Wir sind FBI-Beamte. G-men. Wir sind bei der Verfolgung einer Verbrecherbande aufgehalten worden. Die Gangster warfen unseren Wagen da hinab. Ein anderer Wagen flog durch die Lawine hinunter, die die Gangster ausgelöst haben. Wir brauchen Ihren Wagen.«
Miß Forthydes nickte. »Ja, natürlich«, sagte sie. »Selbstverständlich. Und… und was wird mit dem Toten da?«
»Wir werden ihn mit Steinen bedecken, damit keine Tiere ran können. Später wird der Leichnam natürlich abgeholt. Komm, Phil!«
Wir machten uns an die Arbeit. Die Frau blieb im Wagen sitzen und rauchte nervös. Natürlich war es ihr an die Nerven gegangen. Man wird nicht alle Tage Zeuge einer Schießerei, die für jemand tödlich ausgeht.
Als wir mit unserer Arbeit fertig waren, stieg sie aus und setzte sich auf die hintere Sitzbank.
Wir fingen an, mit vereinten Kräften eine Fahrrinne in dem Geröllberg freizulegen. Es war eine höllische Plackerei. Aber nach ungefähr einer halben Stunde hatten wir die größten Brocken wenigstens so weit beiseite zerren können, daß man es versuchen konnte.
Aufatmend klopften wir uns den Staub von den Kleidern. Ich holte meine Maschinenpistole, und wir stiegen ein. Zuerst steckten wir uns eine Zigarette an und verschnauften. Jetzt kam es auf eine Minute mehr oder weniger auch nicht mehr an.
»Wo wollten Sie eigentlich hin, Miß Forthydes?« fragte ich, um das Schweigen zu brechen.
»Ich bin nur ein bißchen spazierengefahren«, erwiderte sie. »Ich fahre gern Auto, wissen Sie?«
»Mit diesem Wagen, das glaube ich«, nickte ich, drehte den Zündschlüssel und startete. »Na, dann wollen wir mal versuchen, ob wir da durchkommen.«
Es war eine teuflische Rangiererei. Phil mußte zweimal aussteigen und mich einwinken, damit wir ohne Kratzer durch die Fahrrinne kamen, die wir mühsam freibekommen hatten. Ich atmete auf, als wir endlich den Geröllberg überwunden hatten.
Ein Cadillac ist ein großer Wagen, und sicher ist allerlei überflüssiger Krempel dran. Aber unter der Haube steckt auch einiges; Als ich das Gaspedal durchtrat, schnurrte er fast so elegant wie mein Jaguar davon.
Wir waren keine fünf Minuten auf der Straße entlanggebraust, als vor uns auf der Straße ein Hindernis sichtbar wurde. Ich nahm den Fuß vom Gas, pumpte mit der Bremse und bekam den weißen Luxuswagen gerade noch fünf Meter vor der Sperre zum Stehen.
»Auch das noch!« schimpfte Phil, »jetzt können wir schon wieder anfangen zu räumen!«
Es blieb uns nichts anderes übrig, wenn wir weiterkommen wollten.
»Die Brüder haben aber auch an alles gedacht«, knurrte ich. »Jetzt werden wir noch einmal aufgehalten! Bevor wir die Bäume zur Seite geschleppt haben, ist wieder eine Viertelstunde vergangen!«' Stöhnend stiegen wir aus und machten uns an die Arbeit. Zum Glück waren die Baumstämme nicht allzu groß. Zwei Mann konnten einen Stamm mit einiger Anstrengung durchaus bewegen. Aber unsere Anzüge wurden davon nicht besser. Bald klebte uns Harz und Schmutz an den Händen und an den Kleidern.
Aber nach einer knappen Viertelstunde hatten wir die Sperre so weit auseinandergerissen, daß wir weiterfahren konnten. Keuchend blieben wir eine Minute neben dem Cadillac stehen, um Luft zu schöpfen.
Es war wirklich eine der einsamsten Straßen, auf der ich je gefahren bin. Vielleicht lag es daran, daß sie noch so
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