019 - Woelfe in der Stadt
Sekunden vergaß er die aufregende Nähe Elaines.
Der Mann war zur Hälfte ein Wolf. Das Monster stöhnte.
»In wenigen Stunden wird er die Verwandlung abgeschlossen haben«, sagte Elaine.
Tony sah sie an. Ihr Gesicht hatte plötzlich einen ganz anderen Ausdruck. Ihre Nasenflügel waren gebläht, und sie atmete schwer.
»Ist es nicht erregend, mit anzusehen wie sich ein Mensch in einen Wolf verwandelt?«
Tony gab keine Antwort. Er fand es nicht erregend; das Schauspiel stieß ihn ab.
Das Ungeheuer hob jetzt den Kopf, und Tony schrie auf. Das Gesicht des Monsters sah einfach fürchterlich aus. Der Mann hatte schon eine Wolfsschnauze, doch die Augen waren noch menschlich, die Nase fehlte vollkommen, die Stirn war mit Beulen bedeckt.
Das Monster öffnete den Mund und schrie klagend.
Tony wandte sich ab, Elaine konnte sich jedoch nicht vom Anblick des Monsters losreißen.
»Gefällt es dir nicht?« fragte sie ihn schließlich.
»Ich finde es scheußlich«, sagte Tony.
Elaine hob die Schultern.
»Du wirst es schön finden. Später einmal«, sagte sie. »Gehen wir weiter.«
Ein Zimmer lag neben dem anderen. Es mussten Dutzende sein. Und in jedem lag ein Mensch, der die Umwandlung noch nicht ganz abgeschlossen hatte. Tony wollte nicht mehr hinsehen, doch Elaine befahl es ihm, und er musste ihrem Wunsch gehorchen. Er blickte in die Zimmer, bemühte sich aber dabei, die hilflosen Kreaturen nicht anzusehen. Sein Hass und seine Wut wuchsen. Doch er konnte nur den Unbekannten hassen. Sosehr ihn auch das Verhalten Elaines verwunderte, er begehrte sie weiterhin. Sein Verlangen nach ihr wurde sogar immer stärker.
Sie waren am Ende des Korridors angelangt und gingen nun auf der anderen Seite zurück. Und wieder musste er die Geschöpfe ansehen, die keine Menschen, aber auch keine Wölfe waren. Ein Großteil der Gefangenen waren Männer.
»Hast du irgendwelche Fragen?« erkundigte sich Elaine.
»Ja«, sagte Tony. »Woher bekommt ihr die Leute?«
»Meistens sind es Touristen, die in den Pink Poodle kommen. Wir locken sie, so wie dich, nach hinten. Dort werden sie hypnotisiert, und wenn sie niemandem gesagt haben, dass sie in den Pink Poodle gehen wollten, nehmen wir sie gefangen.«
»Und was spielst du für eine Rolle in diesem Spiel?«
»Ich bin die Vertraute des Unbekannten, seine Assistentin, wenn du willst.«
»Und wie bist du dazu gekommen?«
»Das darf ich nicht sagen.«
»Und er machte dich zu einem Werwolf. Hasst du ihn nicht deshalb?«
Sie lachte. »Nein, ich wollte, dass er mich in einen Werwolf verwandelte. Es war mein Wunsch. Ich half ihm bei seinen Experimenten von Anfang an. Er ist ein großer Mann, einer der größten, die je gelebt haben.«
»Aber warum veröffentlicht er seine Ergebnisse nicht?«
»Das will er nicht. Er hat noch viel vor. Die Experimente mit den Werwölfen sind ja nur der Anfang. Aber das wird er dir alles selbst erzählen.«
»Kannst du dich jederzeit in einen Wolf verwandeln?«
»Ja, jederzeit.«
»Und du bist unverwundbar, wenn du ein Wolf bist?«
»Ja, vollkommen unverwundbar. Ich kann nicht getötet werden.«
»Aber wie ist das möglich?«
»Magie«, sagte sie. »Das ist Magie. Die Umwandlung zum Werwolf erfolgt durch eine Droge, die weitere Behandlung geschieht mittels magischer Kräfte. Darüber darf ich aber nicht sprechen.«
Sie hatten den Korridor hinter sich gelassen.
»Hat sich schon einer der Werwölfe gegen den Unbekannten aufgelehnt oder ihn angegriffen?«
»Das ist nicht möglich«, sagte Elaine. »Wir müssen widerspruchslos jeden seiner Befehle befolgen. Es gibt keine Auflehnung.«
»Und wie fühlt man sich als Werwolf?«
Elaine blieb stehen.
»Herrlich«, sagte sie. »So ganz anders. Man kann es kaum erklären. Alles ist verändert. Man sieht die Welt mit ganz anderen Augen. Man nimmt Gerüche und Eindrücke wahr, die man als Mensch nicht wahrnehmen kann. Man fühlt sich frei und großartig.«
»Ähnlich wie unter der Einwirkung von Drogen?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ganz anders. Viel besser.«
Sie ging weiter, und Tony folgte ihr. »Wie viele Werwölfe gibt es jetzt schon?«
»Ungefähr fünfzig«, sagte Elaine. »Aber es werden täglich mehr. Bald werden es schon zweihundert sein. Er arbeitet an einer Methode, mit der er die Verwandlung vereinfachen und beschleunigen kann. In wenigen Tagen wird er soweit sein, und dann wird sich einiges ändern.«
»Was wird sich ändern?«
»Das wird er dir selbst sagen.«
Sie betraten
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