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0171 - Der Herr des roten Mohns

0171 - Der Herr des roten Mohns

Titel: 0171 - Der Herr des roten Mohns
Autoren: Der Herr des roten Mohns
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deutete auf eine dichte Menschenmenge im Hintergrund.
    »Wir nicht, aber wir möchten Sie nicht in Ihrem Vergnügen stören«, lächelte Phil.
    »Nur fünf Minuten.«
    Wir ließen uns nicht überreden, traten aber näher an die Tische. Unsere beiden Begleiter begannen sofort wahllos zu setzen. Sie spielten hoch, verloren, gewannen und verloren wieder. Dazwischen versuchten sie uns zu animieren, aber wir blieben stur.
    Nach einer Viertelstunde gaben sie es auf. Als wir uns der Tür zuwandten, bemerkte ich plötzlich einen Chinesen, der mir bekannt vorkam. Ein zweiter Blick belehrte mich, dass ich mich nicht getäuscht hatte. Es war Kong, den uns Inspektor Sommerset zugeteilt hatte. Absichtlich blieb ich etwas zurück, und da sah ich, wie Kong die Hand hob. Es war eine Geste, die niemandem auffallen konnte, aber ich begriff sie: Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Ich hatte ihn im Verdacht, dass er uns gefolgt war, um uns entweder zu beschützen oder zu überwachen.
    In der Halle tranken wir noch einen Whisky, der genauso kalt und gut war wie der im Gloucester Hotel. Dann erhoben wir uns und steuerten dem Ausgang zu.
    »Eigentlich wäre es jetzt Zeit, schlafen zu gehen«, sagte ich, in der Absicht, von den beiden Begleitern loszukommen.
    Die ganze Geschichte fing an, mir unheimlich zu werden.
    »Zum Schlafen werden Sie noch viel Zeit haben«, lachte Jules. »Zuerst wollen wir Ihnen die anderen Attraktionen dieses Klubs vorführen. Allerdings sind sie in einem anderen Gebäude.«
    Er duldete keinen Widerspruch. Langsam stiegen wir die steile, steinerne Treppe hinab. Der Mond stand tief, und sein Licht fiel nur matt durch die Bäume.
    Ein heiserer Schrei klang auf.
    Der dumpfe Aufschlag eines Körpers folgte. Unsere beiden Begleiter schienen nichts gehört zu haben, aber ich rannte, stets mehrere Stufen zugleich überspringend, nach unten.
    Ein paar Fremde beugten sich über einen leblosen Körper. Aus der tiefen Stimwunde strömte Blut über das Gesicht. Die Augen starrten leer und gebrochen.
    Der Mann war tot.
    Es war Kong! Kong, der mir vor einer Viertelstunde eine Warnung übermittelt hatte.
    »Ein sehr fataler Sturz«, sagte ein dicker Chinese und richtete sich schnaufend auf. »Ein bedauernswerter Unfall. Man müsste wirklich die Treppe besser beleuchten.«
    In diesem Augenblick kamen auch Jules und Clem die Stufen herunter und blickten auf den Toten.
    »Traurig, sehr traurig«, meinte Clem kopfschüttelnd.
    »Wirklich peinlich, dieser Unfall«, fügte Jules hinzu.
    Ein Unfall?
    Ich konnte mir nicht denken, dass der sicherlich mit allen Wassern gewaschene Kong auf einer ungenügend beleuchteten Treppe zu Tode stürzen konnte. Zu retten war hier zwar nichts mehr, aber trotzdem beugte ich mich nieder. Da sah ich ein paar Fingerbreit über dem Knöchel des rechten Fußes einen feinen, roten Strich, der wie eine frische Schnittwunde anmutete.
    In diesem Augenblick wusste ich es.
    Kong war ermordet worden. Der Trick war alt: Ein dünner Draht, der über die Treppe gelegt und von zwei im Schatten der Sträucher verborgenen Personen gehalten und im richtigen Moment angespannt worden war, hatte ihn zu Fall gebracht.
    Die Gefahr hatte ihm gegolten, nicht uns. Oder war er vielleicht umgelegt worden, weil er versucht hatte uns zu warnen?
    Ein Blick in Phils Gesicht genügte mir. Er hatte die gleiche Beobachtung gemacht. Jetzt Lärm zu schlagen, wäre aussichtslos und wahrscheinlich gefährlich gewesen. Vielleicht hätte man uns auch ausgelacht. Ich griff nach der Pistole im Schulterhalfter und bemerkte, dass mein Freund die gleiche Bewegung machte.
    »Gehen wir«, meine Clem. »Es ist nicht unsere Sache. Der Klubvorstand wird sich darum kümmern müssen.«
    Nur einen Augenblick zögerten wir. Wir konnten dem armen Kerl nicht mehr helfen, aber jetzt hatten wir eine zweite Aufgabe: Kongs Mörder zu finden.
    Der dicke Chinese zuckte die Achseln.
    »Ich werde oben Bescheid sagen. Bedauerlich, sehr unangenehm. Aber was wollen Sie? Tausende gehen in dieser Sekunde zu ihren Ahnen. Tausende werden geboren… Maskee!«
    Damals wusste ich noch nicht, was dieses Wort bedeutet. Ich erfuhr es erst später. Man kann es überhaupt nicht übersetzen. Es kann eine Verneigung vor dem unergründlichen Ratschluss der Götter oder auch nur ein resigniertes Achselzucken sein. Man schiebt damit etwas weg, was man nicht ergründen kann oder will.
    Langsamer als zuvor schritten wir weiter. Immer noch ruhte meine Hand auf dem kühlen Metall des
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