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0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger

0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger

Titel: 0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger
Autoren: Sie nannten sich Löwen und Tiger
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holte mir die noch halbvolle Flasche und ein Glas. Dann saß ich im Sessel und überlegte.
    Valgas hatte Margret ermordet. Annies Zeugnis bewies das, und doch zweifelte ich. Es gab noch einige Punkte, die nicht geklärt waren. Ich überlegte. Der Spiegel der Flasche sank immer tiefer, und der Aschenbecher füllte sich mit Zigarettenstummeln.
    Die Stunden schlichen im Schneckentempo. Als ich das letzte Mal auf die Uhr gesehen hatte, war es ein Uhr siebzehn gewesen, jetzt war es ein Uhr vierzig, und ich hätte darauf geschworen, die halbe Nacht sei inzwischen vergangen. Im Fußboden knisterte etwas. Irgendein Fensterladen klapperte im Nachtwind.
    Drüben im Zimmer lag eine Tote; Bob und Marcia schliefen unter dem wohltätigen Einfluss der Tabletten und vergaßen alles, ihre Trauer und ihre Liebe. Auch Phil würde schlafen und die Krankenschwester war schon lange weggegangen. Nur ich wachte noch, ich und wahrscheinlich auch der Verrückte in seinem Labor.
    Ich blickte durchs Fenster in den Garten. Das Brausen der Riesenstadt war verstummt. Nur manchmal hörte man das Surren eines in der Ferne dahineilenden Wagens, und vom Fluss herüber scholl das Tuten eines Schleppdampfers.
    Ich löschte das Licht, aber ich ging nicht zu Bett. Eine merkwürdige, unerklärliche Unruhe hatte mich gepackt. Ich saß und lauschte. Ich hörte das Ticken meiner Armbanduhr und das Knistern in den Wänden.
    Etwas knarrte und schlurfte, hörte auf, und dann vernahm ich dieses seltsame Geräusch von Neuem. Es war, als ob jemand auf Strümpfen oder weichen Pantoffeln über einen Teppich schliche.
    Jetzt hörte ich es deutlich. Jemand war vor meiner Tür auf dem Gang. Das Geräusch setzte aus und begann von neuem. Dann knarrte eine Tür, leise, kaum vernehmbar.
    Wer hatte jetzt hier herumzuschleichen? War es der alte Mann, der endlich seine nutzlose Arbeit unterbrochen hatte? Vorsichtig öffnete ich die Zimmertür. Der Gang war finster, aber trotz der Dunkelheit bemerkte ich die leise Bewegung. Die Tür des dritten Zimmers rechts von dem meinen schwang auf. Ich wartete auf das Knacken des Lichtschalters und das Aufflammen der Beleuchtung, aber nichts geschah.
    Plötzlich packte mich die Vorahnung, dass etwas Furchtbares zu geschehen im Begriff war. Mit leisen, großen Schritten eilte ich über den Gang. Ich hatte mich nicht getäuscht. Ein Zimmer war offen. Fern im Osten schimmerte durch die Fenster die graue Dämmerung. Zur Linken stand ein Bett. Davor erblickte ich einen schwarzen Schatten, einen Mann. Er stand und starrte, dann riss er den Arm hoch. Ich sah das blitzende Ding in seiner Hand und sprang vor.
    Ich erwischte das Handgelenk und drehte es noch im Sturz um.
    Ich glaubte, den Teufel oder eine Bestie gepackt zu haben. Er keuchte, kratzte, schlug und trat. Jetzt packten seine Zähne meinen Arm, und der Schmerz des Bisses durchzuckte mich. Ich holte aus und schlug zu, dahin, wo ich sein Kinn vermutete.
    Plötzlich war ich wieder frei. Die mich umklammernden Arme wurden schlaff. Ich hörte den hellen Schrei einer Frauenstimme und war mit einem Satz an der Tür und knipste das Licht an. Im Bett saß Marcia und blickte mit Entsetzen auf den besinnungslosen Lloyd Hudson, der auf dem Teppich lag. Neben ihm blitzte ein Messer, eines der Messer mit feststehender Klinge, von der gleichen Sorte wie das, mit dem Margret erstochen worden war.
    Eine Minute danach war Phil da. Bob Hudson hatte nichts gehört. Er schlief den Schlaf der Betäubung.
    ***
    Der Morgen graute, als Phil, Marcia und ich im Wohnzimmer zusammen saßen. In der Ecke hockte Lloyd Hudson. Trotz der Handschellen brachte er es fertig, die Gelenke der Finger knacken zu lassen. Dazu stieß er von Zeit zu Zeit ein grausiges Kichern aus. Es war endgültig irrsinnig geworden. Dennoch war es uns inzwischen gelungen, ihm das zu entlocken, was wir wissen wollten.
    Er war es gewesen, der Margret, seine Tochter, erstochen hatte. Er hielt sie für ein unnützes, verworfenes Geschöpf, das nichts anderes als den Tod verdiente. Er hatte die nächtlichen Besuche des Mexikaners genauso beobachtet wie Annie, und in seinem kranken Hirn war der Plan entstanden, seine Tochter, wie er sich ausdrückte, hinzurichten. Auch Marcia hatte er auf die gleiche Art erledigen wollen, weil er zu dem Schluss gekommen war, dass sie seine Mühe und seine Aufopferung, wie er sich ausdrückte, mit Undank belohnt habe, indem sie seinen Sohn zu einer Heirat drängen wollte.
    »Und nun zu Ihnen, Marcia!«, sagte ich.
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