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0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger

0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger

Titel: 0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger
Autoren: Sie nannten sich Löwen und Tiger
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selbst mir wurde dieser Auftritt im Angesicht des Todes zu dumm.
    »Wollen Sie sich nicht beherrschen, Mister Hudson?«, fragte ich. »Es ist jetzt wirklich nicht die Zeit und hier nicht der Ort, um sich zu streiten.«
    »Ich streite mich nicht«, erwiderte er unerwartet energisch, »ich befehle. Ich sehe nicht ein, warum meine Nichte eine Aufgabe, für die sie von Natur aus geschaffen ist, einer lächerlichen Liebesgeschichte wegen im Stich lassen soll. Jahre habe ich meinen Versuchen geopfert und ich bin auf dem besten Weg, eine wichtige Erfindung zu machen. Ich konnte das nicht ohne eine tüchtige Hilfe, und diese Hilfe habe ich in meiner Nichte Marcia gefunden. Die Wissenschaft wird meinen Namen eines Tages in ihr Goldenes Buch schreiben, wenn ich schon lange tot bin. Ich weiß nicht einmal, ob ich selbst meine Forschungen beenden kann, und es gibt nur eine Person, die genügend Verstand und Erfahrung hat, um diese zu Ende zu führen. Diese Person ist Marcia. Die Vollendung meiner Erfindung und die Fortführung meiner wissenschaftlichen Forschungen soll ihre Lebensaufgabe sein, und ich verbiete ihr, sich davon abhalten zu lassen, und sei es selbst durch meinen eigenen Sohn… diesen Tunichtgut.«
    Ich hatte in meinem Leben schon mancherlei Fanatiker und Narren gesehen. Aber noch keinen, der seinen Sohn und seine Nichte einer Fata Morgana zu opfern bereit war. Ich verzichtete auch auf eine Antwort. Der Mann war Argumenten nicht zugänglich. Ich hielt ihn für einen Fall, für den die Psychiater zuständig waren.
    Bob und Marcia waren auseinandergegangen. Der Alte sah es mit Befriedigung. Er drehte sich um und ging mit seinen kurzen, schnellen Schritten zur Tür, ohne noch einen Blick auf seine tote Frau zu werfen.
    »Marcia!«, warf er über die Schulter zurück. »Ich erwarte dich in einer Stunde.«
    Dann klappte die Tür.
    Es blieb für fast eine Minute still.
    »Soll ich die nötigen Formalitäten für Sie erledigen?«, fragte Dr. Bonnister, und auf das tonlose »Ja« des jungen Mannes hin setzte er sich an den Tisch, zog ein Formular aus der Tasche und schrieb den Totenschein.
    Cotton
    Phil und ich brachten mit viel Mühe die beiden jungen Leute dazu, das Zimmer zu verlassen. Dann saßen wir zu viert stumm und bedrückt und wussten nicht, was wir tun oder reden sollten. Nach zehn Minuten kam der Arzt.
    »Ich würde Ihnen beiden raten, zu Bett zu gehen«, sagte er zu Bob und Marcia. »Hier sind ein paar Tabletten, die Ihnen bis morgen früh einen ruhigen Schlaf gewährleisten.«
    Die beiden jungen Menschen blickten sich an und nickten. Der Arzt lief geschäftig nach Wasser und ruhte nicht eher, bis sie das Medikament geschluckt hatten. Bevor Marcia ging, bat sie:
    »Es wäre mir eine Beruhigung, wenn Sie beide oder wenigstens einer von Ihnen über Nacht hier bleiben wollte. Ich fürchte mich… und außerdem habe ich morgen Früh einiges mit Ihnen zu besprechen.«
    »Wir werden hier unten auf der Couch schlafen, wenn Ihnen das eine Beruhigung ist«, antwortete Phil.
    »Nein, wir haben zwei Gästezimmer, und ich werde das Mädchen veranlassen, dass es diese herrichtet. Sie wird Ihnen Bescheid geben.«
    Damit ging sie.
    »Ein unheimliches Haus«, murmelte Dr. Bonnister, sah sich suchend um und dann holte er eine Flasche Black & White aus dem Barschrank.
    Er schenkte drei ordentliche Portionen ein, kippte die eine hinunter und seufzte. Dann nahm er seine Tasche auf und verabschiedete sich.
    »Was hältst du von Lloyd Hudson?«, fragte Phil.
    »Der Mann ist nicht bei Trost«, entgegnete ich. »Wenn ich jemals einen Verrückten gesehen habe, so ist er das. Morgen werde ich Dr. Bonnister offiziell empfehlen, den Mann auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass seine Nichte sich vor ihm fürchtet.«
    »Was meinst du wohl, was sie morgen mit uns besprechen will? Sie sagte das auf eine so merkwürdige Art«, meinte Phil.
    »Ich weiß es nicht. Wir werden es ja noch früh genug erfahren.«
    Jetzt erst merkte ich, wie müde ich war. Wir tranken noch ein Glas, und dann kam das Mädchen, um uns zu unseren Zimmern zu führen. Sie lagen auf demselben Korridor wie die Schlafzimmer der Familie. Ich fragte noch nach der Pflegerin, und erfuhr, diese sei noch bei der Toten, werde aber in ungefähr einer Viertelstunde ebenfalls gehen.
    ***
    Ich begann mich auszukleiden, aber plötzlich hatte ich keine Lust mehr, zu Bett zu gehen. Ohne Jacke und Krawatte schlich ich nochmals hinunter und
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