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0150 - Wo der Scheiterhaufen leuchtet

0150 - Wo der Scheiterhaufen leuchtet

Titel: 0150 - Wo der Scheiterhaufen leuchtet
Autoren: Martin Eisele
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sie gab nicht auf. Nicht jetzt! Ihr Ziel lag so nahe…
    Blindlings vertraute sie ihren dämonischen Instinkten!
    Mit großen, geschmeidigen Sätzen hetzte sie den sanft ansteigenden Waldweg empor. Hohe, schwarze Tannen säumten ihn.
    Nebelschleier hatten sich über dem duftenden Waldboden ausgebreitet und reflektierten das Silberlicht des hochstehenden Mondes.
    Sie spürte die belebenden Impulse, die davon ausstrahlten.
    Schneller wurde sie. Die letzten Kraftreserven, die ihr noch geblieben waren, aktivierte sie jetzt.
    Hechelnd brach der Atem über ihre Lefzen. Schaum flockte. Sie hielt den Rachen weit offen, die Fänge gebleckt.
    Sie wußte, daß sie kaum mehr eine Chance hatte. Zu nahe waren die Verfolger herangekommen. Und sie rückten auf, mit jeder Sekunde, die verstrich, kamen sie näher.
    Sie bereitete sich auf den Kampf vor.
    Sie würde es den verhaßten Menschen nicht leicht machen. Bis zum Ende würde sie kämpfen, und sie würde einige Gegner mit sich nehmen!
    Lara verhielt, wandte sich halb um, witterte.
    Ein schwacher Wind bewegte die Tannen, ließ sie rauschen und wispern.
    Und er trug die Witterung der Feinde heran!
    Ein drohendes Grollen stieg aus dem Wolfsrachen. Laras Atem beruhigte sich. Der Wolfskörper war mächtig und stark. Dennoch breitete sich bleiern die Erschöpfung in ihr aus. Seit vier Tagen wurde sie über das einsame Land gejagt, gnadenlos, Tag und Nacht. Vier Tage, in denen sie kaum etwas gefressen oder getrunken hatte. Vier Tage ohne Ruhe.
    Lara stürmte weiter. Die Witterung der Feinde ließ Panik in ihr hochbrodeln, Panik und Ekel. Den Menschen haftete ein ekelhafter Geruch an, den sie kaum ertragen konnte.
    Die Rückverwandlung stand unmittelbar bevor, sie ahnte es.
    Schon viel zu lange hatte sie in dieser Gestalt verbracht, es konnte nicht ewig währen. Heute war Vollmond, und morgen…
    Als normale Frau hatte sie den Feinden nichts entgegenzusetzen.
    Sie würden sie zerfleischen. Erbarmungslos… Ihr Haß machte sie blind.
    Lara wußte es, sie machte sich nichts vor.
    Sie war eine Werwölfin, sie konnte sich verwandeln. Also gehörte sie zu jenen Mord-Wesen, vor denen die Leute des Dorfes zitterten.
    So dachten die Menschen.
    Aber sie dachten falsch.
    Sie gehörte nicht zu ihnen, sie hatte sich schon vor über einem Jahr vom Wolfs-Clan losgesagt. Sie hatte es abgelehnt, zu töten. Sie brauchte das Blut der Menschen nicht, um Wolf sein zu können…
    Ja, sie war anders als die Gefährtinnen und Gefährten.
    Und deshalb hatte sie sich von ihnen getrennt. Sie hatte geglaubt, in Frieden leben zu können. Doch dies war ein Irrtum gewesen. Ein Köhler und dessen Frau hatten sie entdeckt. Hatten gesehen, wie sie sich in einen Menschen zurückverwandelt hatte.
    Von diesem Tag an war sie nicht mehr sicher gewesen.
    Die Menschen des Dorfes hatten sie gesucht. Mit Hunden hatten sie den Wald durchkämmt.
    Dann hatten sie sie aufgestöbert.
    Die Hetzjagd hatte begonnen.
    Doch sie hatte sich vorbereitet. In den alten Büchern hatte sie von dem Riß zwischen den Zeiten und den Welten gelesen. Eine Dimensionsüberlappung von der Vergangenheit in die Zukunft.
    Dieser Riß war ihr Ziel!
    Es würde für sie kein Morgen mehr geben, nicht in dieser Zeit, nicht in dieser Welt des Aberglaubens, der Intoleranz!
    Ihr Plan stand unverrückbar fest. Seit Monaten hatte sie daran gearbeitet, ihn zu verwirklichen. Seit jenem Tag, da sie zum ersten Mal von den aufgebrachten Leuten verfolgt worden war.
    Sie würde sich in die Zukunft flüchten. Ihre Mutter war eine Hexe gewesen, ihr Vater ein Gnom mit seherischen Fähigkeiten.
    Beide hatten ihr die Geheimnisse der Magie erklärt. Mit diesen ihren Kenntnissen mußte sie es schaffen, den Übergang zu vollziehen und den Zeitriß anschließend zu versiegeln.
    Dann würde sie endlich sicher sein!
    Lara verhielt wieder, als sie das leise Hundegekläff in der Ferne hinter sich hörte. Noch war es weit genug weg…
    Sie wandte sich nach rechts, durchbrach das struppige Dickicht, das zwischen den Tannen wucherte.
    Sie spürte die Nähe ihres Ziels.
    Ihre Instinkte konzentrierten sich darauf. Mit traumwandlerischer Sicherheit rannte sie, übersprang Hindernisse, Luftwurzeln, gefallene und vermodernde Bäume und dergleichen.
    Irgendwo raschelte es im Unterholz.
    Ein Käuzchen schrie klagend.
    Die dunkle Wand des sie umgebenden Waldes wirkte drohend, abweisend.
    Geh! Geh! Verschwinde, laß dich nie wieder hier sehen! schien es ihr aus der Dunkelheit
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