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015 - Das Blutmal

015 - Das Blutmal

Titel: 015 - Das Blutmal
Autoren: Jens Lindberg
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er, »Sie säßen einem Gericht vor, das über eine Hexe zu urteilen hat, eine Frau, die erwiesenermaßen durch intensives Wunschdenken einen Menschen tötete. Wie würden Sie urteilen?«
    Großes Gelächter, in das Idusch mit einstimmte.
    »Ich würde den Anzeigenden zum Irrenarzt schicken«, erklärte der Professor.
    »Nein, nein! Sie machen es sich zu einfach. Nehmen wir an, es gäbe verlässliche Zeugen …«
    »Die müssten auch zum Irrenarzt«, unterbrach der Professor ihn. »Mein lieber Kloss, ich leugne nicht, dass es seltsame Dinge auf dieser seltsamen Erde gibt.« Er lachte. »Eine Seltsamkeit ist zum Beispiel, dass mehr Männer durchdrehen als ihre Frauen, wenn sie ein Kind erwarten. Und da meine Frau täglich eins erwartet, werde ich jetzt schleunigst nach Haus eilen.«
    Der Professor erhielt viel Beifall für die witzige Replik, und Veit wurde fleißig von den Kommilitonen veralbert. Er blieb gefasst und kassierte von einigen Freunden Geld, für das er im Großhandel Getränke für die Party einkaufen sollte.
    Es regnete in Strömen, als er mit seinem alten grauen VW nach Hause fuhr. Er drückte unten ihr Signal – zweimal kurz, zweimal lang – und rannte die Treppe hoch. Die Tür stand offen. Er ging hinein.
    Anna lächelte ihm entgegen. »Gibt ganz was Schickes. Mach schnell! Saures?«
    »O Gott!« Er schlug die Hände vors Gesicht.
    »Fängt der Zirkus wieder an?« fragte Anna ärgerlich.
    »Fass mich nicht an!« schrie Veit. »Da ist es wieder!«
    »Ach du Blödmann, du Lieber!« Anna lachte. »Ist doch modern.« Sie streichelte über seine Hände, die immer noch seine Augen bedeckten. »Ich habe mir eine Korallenkette gekauft. Hübsch, was?«
    Veit spähte zwischen den gespreizten Fingern hindurch, atmete auf und lachte gepresst. »Du hast recht. Ich sollte zum Psychiater.«
     

     
     

Ohne viel Freude betrachtete er die blutrote Korallenkette an Annas Hals. Sie erinnerte ihn an furchtbare Stunden, die ihn von neuem zu quälen begannen.
    »Geht in die Geschichte ein. Garantiert«, behauptete der fette Dirk Lodders mit dem Doppelkinn, der seit drei Semestern um ein Rendezvous mit Anna bettelte, und schüttete erneut einen Korn in sich hinein. »In Festen seid ihr ganz große Klasse.« Er prostete mit unsicherer Hand in Veits Richtung. »Besser jedenfalls als beim Fragen. So was Blödes! Hexen – heute! Der Idusch hat dich ganz flott abblitzen lassen.« Er versuchte vergeblich ein vorbeitanzendes Mädchen festzuhalten. »Auch ’ne Hexe! He!« rief er ihr nach: »Wann fliegen wir zum Blocksberg?«
    Er redete und redete. Keiner hörte mehr hin. Alles drängte sich um Anna, die in die Hände klatschte.
    »Auf, auf! In der Küche sind warme Würstchen und Unmengen Salat zu besichtigen. Spenden eines Mäzens.« Langsam leerte sich das Zimmer. Nur Gerhard Menz, der neben dem Plattenspieler auf dem Boden saß und ein leeres Bierglas in den Händen drehte, blieb zurück.
    »Keinen Hunger, Gerd?« fragte Anna. Menz lächelte matt zu ihr hoch. »Rundum tiefe Trauer. Du weißt ja …«
    Anna hockte sich neben Veits Freund. »Keine Chance?«
    »Hat Veit dir nicht erzählt?«
    »Ja – hat er. Hast du alle Klausuren verhauen?«
    Menz lachte hart. »Prachtstücke der Wissenschaft sind sie bestimmt nicht geworden. Mit guten Noten im Mündlichen – damit wäre es vielleicht zu schaffen. Aber so? Ich rassle mit Pauken und Trompeten durchs Examen.«
    »Was heißt ‚aber so’?«
    »Der Schinder Reimers.«
    »Ein Prüfer?«
    Menz nickte trübsinnig. »Ausgerechnet ich muss den schärfsten Hund vorgesetzt bekommen. Reimers bedeutet immer ein Todesurteil.«
    »Und ohne ihn?« fragte Anna und legte einen Arm um Menz. »Ist doch wirklich ein verdammter Mist, ein ganzes Jahr zu verlieren.«
    »Ja – ohne Reimers könnte es klappen. Aber was hilft alles lamentieren? Meinetwegen wird der Kerl nicht abkratzen. Ist das blühende Leben selbst.« Menz goss sich aus einer Flasche Bier ein und trank. »Und ich hatte so ’ne prima Referendarstelle. Na, freut sich ein anderer.«
    Anna hielt die Platte an. Schlagartig wurde es still im Zimmer. Aus der Küche und den anderen Räumen drang Gelächter, Gläsergeklirr, Musik und lautes Gequatsche zu ihnen.
    »Wie alt ist der Reimers?« fragte Anna.
    »Bis zur Pensionierung hat der nicht mehr viel Zeit. Wenn ihr dran seid, ist er wohl nicht mehr da. Dreiundsechzig – vierundsechzig Jahre. Präsident ist er. Hier im Amtsgericht.«
    Anna verschränkte die Arme im Nacken und sah
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