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015 - Das Blutmal

015 - Das Blutmal

Titel: 015 - Das Blutmal
Autoren: Jens Lindberg
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Glück zu dem kommenden frohen Ereignis.« Eleonore Idusch lächelte. »Baldigem Ereignis ist besser.« Sie faltete die Hände über dem dicken Leib und schleppte sich schwerfällig zu ihrem Mann. »Gut, dich zu sehen, Liebster. Ich hatte so böse Träume.«
    »Das beste an den bösen Träumen ist, dass sie nur Träume sind«, sagte Idusch liebevoll und küsste seine Frau.
    Dann begleitete er Veit zur Haustür. Keiner der Männer sah den verzweifelten Blick der Frau, und keiner hörte ihr geflüstertes: »Hoffentlich!«
     

     
    Wenigstens eine gute Nachricht, dachte Veit, als er im Radio vom Vorlesungsstreik an der Universität hörte. So würde Anna die Begegnung mit den Freunden erspart bleiben.
    Er hörte sie in der Wohnung herumwirtschaften.
    Als er sie den Flur fegen sah, rief er durch die geöffnete Tür: »Nimm doch den Staubsauger! Ist doch einfacher.« Anna stützte sich auf den Besen. »Ich habe kein Verhältnis zu dem Ding.« Sie streichelte den Besen. »Irgendwie ist mir der hier vertraut. Du rasierst dich ja auch nach alter Väter Sitte und hast nicht einen benutzten elektrischen Rasierapparat im Schrank liegen.« Ihre gelben Augen wurden zu Schlitzen. »Besen passen auch besser zu Hexen.«
    Veit biss sich auf die Lippe, um nicht zu schreien. Er war froh, als Anna weiterfegte. Vorsichtig zog er die Schublade auf und entnahm ihr ein altes, ledergebundenes Buch. Der vergilbte Rücken trug den nur noch schwer zu entziffernden Titel: Wie ein jeder die greulichen Hexen erkennet, sich gegen sie wappnet und sie der kirchlichen Gerechtigkeit überantwortet – zu Gottes Lob.
    Das Buch hatte er sich aus der Staatsbibliothek mitgebracht, wo ihm bis morgen erschöpfende Unterlagen zu dem Göldi-Prozess herausgelegt werden sollten.
    Autor Mariani sagte Veit nicht viel Neues. Er war ein im Wahn seiner Zeit befangener Kirchenmann, für den Hexen schlimmer als Ungeziefer waren. Gelebt hatte er im 16. Jahrhundert in Augsburg und rühmte sich, dem göttlich reinigenden Feuer 208 Hexen geschenkt zu haben. Und der schrecklich fromme Mann, der Aberglauben mit Glauben verwechselt hatte, schloss seine Schmähschrift wider jede Vernunft mit den Worten: So eine echte Hexe verbrennt, deren höchste Wollust darin bestand, dem Satan selbst den After zu küssen, so hinterlässet der verfluchte Körper einer solchen Teufelsbuhlin kein noch so kleines Häuflein Asche. Denn nach Gottes Ratschluss soll ein so vermaledeiter Körper nicht mit seiner Asche die reine Welt verschmutzen. Amen.
    Veit betrachtete nachdenklich das Titelblatt. 1598 war das Buch in Augsburg gedruckt. Sein Blick wanderte zum Kalender: 1972 stand dort. Und im Flur trällerte Anna ein Lied. Anna, die eine Hexe war. Das wusste er jetzt.
    Wer aber in den verfluchten Bannkreis eines solchen vom Blendwerk der Dämonen besessenen Weibes gerät, dem versiegen die tröstenden Tränen.
    Auch er konnte nicht mehr weinen.
    Die Eiseskälte der Furcht verscheuchte die Fieberhitze. Veit stellte sich die Frage: Und wenn du sie tötest? Sie, die du liebst?
     

     
    Gegen elf Uhr kam Veit am nächsten Vormittag schwer bepackt aus der Bibliothek zurück. Schon an der verschlossenen Wohnungstür hatte er bemerkt, dass Anna nicht zu Hause war.
    Wo mag sie sein? dachte er. Hoffentlich richtet sie kein neues Unheil an. Er rief Menz, Laue und andere Freunde an. Nur bei Professor Idusch meldete er sich nicht.
    Und gerade dahin war Anna unterwegs.
    Voll Wohlbehagen sog sie den Duft der wild wachsenden Gräser ein, als sie auf das Haus des Professors zuging und läutete.
    Wie meist trug Anna auch heute ihre schwarzen Lederhosen; dazu die eng sitzende schwarze Lederweste und um den Hals ein brennendrotes Tuch. Ihre vom Regen glänzenden dunklen Haare klebten an dem schmalen Kopf.
    Als Leonore Idusch öffnete, sah sie erstaunt auf die unbekannte Besucherin, die ohne Spur von Verbindlichkeit nach ihrem Mann verlangte.
    »Sie haben Pech«, sagte Leonore.
    »Mein Mann ist nicht da. Ist es eine wichtige Sache?«
    Anna trat über die Schwelle. »Für mich ja. Wird er lange fortbleiben?«
    »Sie sind Studentin?«
    Die Frau des Professors machte keine Anstalten, Anna hereinzubitten.
    »Ja – ich höre bei ihm. Ich bin Anna Dori.«
    Leonore lächelte matt. »Oh, Sie habe ich mir ganz anders vorgestellt.«
    »Und wie?« Annas Brauen hoben sich leicht.
    »Kommen Sie doch bitte herein!« An Annas Seite ging sie ins Wohnzimmer. »Mein Mann erzählte mir einmal von Ihrem Interesse an seinen
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