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0145 - Turm der toten Seelen

0145 - Turm der toten Seelen

Titel: 0145 - Turm der toten Seelen
Autoren: A.F. Morland
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Mädchen, was ist dir? Ist dir nicht gut?«
    Sie blinzelte, als wäre sie aus einem tiefen Schlaf erwacht. Benommen blickte sie um sich. Alles war unverändert: Die Fenster waren durchsichtig, der Busfahrer saß vorne an seinem Platz. Nirgendwo war eine schwarze Frau zu sehen.
    »Nicole!« rief Zamorra noch einmal.
    Sie sah ihn verwirrt an. Langsam ordneten sich ihre Gedanken. Sie wollte Zamorra von der seltsamen Vision berichten, aber plötzlich zuckte ein beißender Schmerz durch ihren Kopf und wischte den Vorsatz weg. Monotone Gleichgültigkeit breitete sich in ihr aus.
    »Was ist mit dir, Chérie?« fragte Zamorra sichtlich beunruhigt.
    »Nichts.«
    »Richtig krank siehst du aus! Nicht wahr, Gene?«
    »Sehr blaß«, bestätigte Sims.
    »Die lange Busfahrt«, seufzte das Mädchen. »Ich glaube, mein Magen verträgt das viele Schaukeln nicht.«
    »Die Fahrt dauert nicht mehr lange, nur noch ein paar Minuten«, sagte Zamorra fürsorglich. »Dann kannst du drei Tage lang ausspannen.«
    Nicole lehnte ihren Kopf an Zamorras Schulter.
    Der Bus sauste mit Vollgas in ein riesiges Schlagloch. Die Fahrgäste wurden mächtig durchgerüttelt.
    »Ich bin neugierig, was aus unseren Freunden inzwischen geworden ist. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen«, brummte Professor Zamorra.
    »Timothy Hignett ist heute ein profilierter Korrespondent verschiedener ausländischer Zeitungen«, erzählte Sims. »Ich hatte ein paarmal mit ihm zu tun.«
    »Das Muttersöhnchen Carl Ellis soll es mitlerweile in seiner Versicherung zum Vizepräsidenten gebracht haben«, sagte Zamorra. »Billy Green Hawks hat sich zum begehrten Fernsehautor gemausert. Nur Anharad Mondy soll noch immer derselbe komische Kauz von damals sein.«
    »Weiß man, was er treibt?«
    »Er hat ein Bestattungsunternehmen.«
    »Das paßt zu ihm«, sagte Sims grinsend.
    In der Ferne tauchten die ersten Giebeldächer auf. Professor Zamorra legte seine Hand auf Nicoles Knie. Unwillkürlich warf sie einen Blick darauf und zuckte entsetzt zurück.
    Zamorras Hand war zu einer häßlichen Klauenpfote geworden.
    Beinahe hätte das Mädchen schrill aufgeschrien, doch in der nächsten Sekunde stellte sie fest, daß an Zamorras Hand nichts auszusetzen war. Verzweifelt fragte sie sich, was mit ihr los war. Warum bildete sie sich all die gräßlichen Dinge ein?
    Der alte Bus hielt auf dem großen Marktplatz an.
    »Endstation, Herrschaften!« rief der Fahrer und erhob sich.
    Er half Nicole beim Aussteigen. Sie wollte ihn nicht beleidigen, deshalb ergriff sie seine kräftige Hand. Aber geheuer war ihr nicht dabei.
    Das Trittbrett ächzte, als Zamorra aus dem Bus kletterte.
    »Sagen Sie, wann wird auf dieser Linie mal ein neueres Modell eingesetzt?« fragte er den Lenker.
    Der gab grinsend zurück: »Sie sollten besser fragen, wann diese Linie nicht mehr befahren wird, Sir.«
    »Aber dann wäre dieses Dorf total von der Umwelt abgeschnitten!«
    »Glauben Sie, daß das jemandem auffallen würde?«
    Der Marktplatz war leer. Eine Katze lief gerade davon. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Irgend etwas lastete auf diesem Dorf. Obwohl es erst früher Nachmittag war, breitete sich über den Dächern ein seltsames Dämmerlicht aus.
    Der Fahrer half seinen Fahrgästen beim Ausladen des Gepäcks, obwohl jeder bloß einen leichten Handkoffer mitgenommen hatte. Zamorra nahm die Gepäckstücke in Empfang. Dann griff er in die Tasche und steckte dem Busfahrer eine Banknote zu. Dabei fiel ihm auf, daß dessen Hand schneeweiß war und der Hand eines Toten glich. Verwirrt schaute Zamorra dem Mann ins Gesicht. Sein Herz übersprang einen Schlag. Die Gestalt, die ihm lächelnd gegenüberstand, war ihm auf einmal nicht fremd. Zamorra kannte die breite Knollennase, das listige Augenpaar, die gelben Zähne und das fliehende Kinn. Vor ihm stand Christopher Dudley, der ehemalige Bürgermeister seines Heimatdorfes in Frankreich.
    »Zamorra!« sagte der Mann mit seiner seltsamen Grabesstimme. »Das ist aber eine freudige Überraschung! Herzlich willkommen!«
    »Dudley!« stieß Zamorra hervor. »Christopher Dudley!«
    »Sehr richtig, mein Lieber, der bin ich.«
    »Ist etwas, Mister?« Das war nun keine Grabesstimme mehr. Und das war auch nicht mehr Christopher Dudleys Gesicht, in das Zamorra blickte. Es war wieder das Antlitz des Busfahrers. »Warum starren Sie mich so an, Sir?« erkundigte sich der Mann verwundert.
    Zamorra wischte mit der Hand über seine Augen.
    »Verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht
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