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0132 - Der Schwarze Graf

0132 - Der Schwarze Graf

Titel: 0132 - Der Schwarze Graf
Autoren: Hans Joachim von Koblinski
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Gewitter auf. Lange können wir sowieso nicht mehr bleiben. Was würdest du davon halten, wenn wir nachher mal zu der Ruine rauffahren und uns das Unwetter von dort oben anschauen? So was ist hier in den Bergen immer eine tolle Sache, das kannst du mir glauben. Voriges Jahr zum Beispiel…«
    »Ganz gute Idee«, unterbrach ihn Marie schroff und räkelte sich gekonnt. »Obwohl mir dieses alte Ding offengestanden nicht so ganz geheuer ist. Außerdem dürfte der Weg doch sicher sehr weit und umständlich sein, und dann noch bei einem Gewitter…«
    »Ach Unsinn! Dort oben sind wir jedenfalls völlig ungestört«, gab Duval mit einem vielsagenden Grinsen zurück. »Das lohnt die kleine Strapaze. Und außerdem ist es in einer Umgebung wie der Ruine dann ganz bestimmt sehr stimmungsvoll, kann ich mir denken.«
    »So, eine romantische Ader hast du also auch?« lachte die junge Deutsche. »Na, von mir aus. Ziemlich verrückte Idee, aber warum eigentlich nicht? Das gefällt mir ja so an dir - deine Unternehmungslust, mein Schatz.«
    Die letzten Worte hauchte die Frau fast, doch Duval blieb der ironische Unterton in ihrer Stimme verborgen.
    Er war ihr völlig gleichgültig.
    Es ging ihr ausschließlich um die vielen kleinen Gefälligkeiten, die er ihr erwies. Doch das verschwieg sie dem Franzosen nach einem zufriedenen Blick auf ihren sündhaft teuren Bikini lieber.
    Auch ein Geschenk von Duval…
    ***
    Die alte, düstere Kirche in Borlezzo, die ursprünglich in romanischem Stil erbaut worden war, hatte im Laufe der Zeit zahlreiche bauliche Veränderungen erfahren und präsentierte sich nun in spätgotischer Fassade.
    Sie wirkte zwar nach außen hin recht schmucklos, jedoch bestach das Innere durch seine funktionelle Linienführung, durch die Eleganz der baulichen Details und vor allem durch den wunderschön gearbeiteten, prachtvollen Altar, der als das Meisterwerk eines begnadeten Künstlers weit über die Grenzen des kleinen Dorfes hinaus bekannt war und eine beträchtliche Zahl von Touristen anlockte.
    Allerdings blieben die meisten nur kurz, da es hier, in dieser Abgeschiedenheit, einfach an Unterbringungsmöglichkeiten fehlte. Auch Freizeiteinrichtungen waren Mangelware. Borlezzo war niemals zu einem echten Fremdenverkehrsort geworden; die einzigen Anziehungspunkte bildeten eben jene Kirche und der herrliche Altar.
    Hier lebte und arbeitete ein Mann, aus dem niemand im Dorf so recht schlau werden konnte - Salvatore di Strecci.
    Seit langer Zeit schon war es seine Aufgabe, sich um die Erhaltung und Pflege der baulichen Denkmäler zu kümmern und das Archiv der Pfarre zu verwalten, das bis ins zehnte Jahrhundert zurückreichte und entsprechend umfangreich und wertvoll war.
    Wie so oft saß der große, schmalgesichtige, fast schon asketische Mann mit den altmodisch streng zurückgekämmten, pechschwarzen Haaren vor irgendwelchen uralten Bänden, die er mit der ihm eigenen Vorsicht besonders liebevoll behandelte. Und ein solch behutsamer Umgang mit diesen kostbaren, meist handgeschriebenen Urkunden war durchaus angebracht, ja notwendig, denn ihr Erhaltungszustand ließ mehr als zu wünschen übrig.
    Das babylonische Sprachgewirr aus lateinischen, italienischen, mittelhochdeutschen sowie ladinischen Texten schien Salvatore die Strecci bei deren Bearbeitung und Entzifferung keine Schwierigkeiten zu bereiten. Man konnte fast glauben, er gehörte noch jener fernen Generation an, die Gelehrte von beinahe universeller Bildung hervorgebracht hat.
    Daß man ihn im Dorf so gut wie nie zu Gesicht bekam, störte ihn wohl ebensowenig wie es die meisten Einwohner von Borlezzo störte.
    Er schien überhaupt völlig in seiner Arbeit aufzugehen, die fast ausschließlich darin bestand, Ordnung und Zusammenhang in die fragmentarischen Dokumente zu bringen, die die wechselvolle, vor allem vom Deutschritterorden geprägte Geschichte fast eines ganzen Jahrtausends erzählten. Di Strecci, dieser rätselhafte Einzelgänger, über dessen Person so gut wie nichts bekannt war, führte sein weltabgeschiedenes Dasein im bewohnbaren unteren Teil des großen Glockenturms, der ein paar Meter vom eigentlichen Kirchengebäude entfernt stand und in dem auch sein unersetzliches Archiv untergebracht war.
    In letzter Zeit jedoch war einigen wenigen Dorfbewohnern, denen di Streccis Anblick dann und wann vergönnt war, eine seltsame Veränderung an diesem sonst so ernsten, dunklen Mann aufgefallen.
    Des öfteren stand er, meist kurz vor Sonnenuntergang, im
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