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0125 - Wir stutzten ihm die Krallen

0125 - Wir stutzten ihm die Krallen

Titel: 0125 - Wir stutzten ihm die Krallen
Autoren: Wir stutzten ihm die Krallen
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nahm den Telefonhörer auf.
    »Hallo, hören Sie noch?«
    »Ja?«
    »Miss Cell kommt sofort. Einen Augenblick, bitte.«
    Er legte den Hörer wieder auf die grüne Filzunterlage auf seinem Schreibtisch und beschäftigte sich weiter mit einem vergilbten Blatt Papier und einer Lupe. Er hatte ein Gutachten über eine Skizze abzugeben, aber er wusste jetzt schon, dass es kein Blatt von Rembrandt sein konnte. Es war nicht bloß eine Fälschung, es war sogar eine sehr plumpe. Außer dem Signum war auf dem ganzen Blatt nichts, aber auch gar nichts, was auf Rembrandt deuten konnte. Die Linienführung, Schattierung, nichts war Rembrandts Art. Er würde sich das Blatt noch unter der Quarzlampe und unter dem Röntgenschirm betrachten. Vermutlich stammte es nicht aus dem 18. sondern aus dem 20. Jahrhundert.
    »Sie haben mich gerufen, Herr Professor?«
    Die Stimme seiner Sekretärin riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf. Miss Cell stand vor ihm in der ganzen Frische ihrer zwanzig Jahre. Die dunklen Ringe, die an diesem Morgen ihre Augen umgeben hatten, waren verschwunden. Puder, dachte Holder, geschickt verteilter Puder.
    »Ja, ein Anruf für Sie!«
    Er deutete auf den Hörer, stand auf und wollte das Zimmer verlassen. Er war ein Mann von Kultur, und Takt gehörte zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften. Aber Miss Cell sagte rasch: »Bleiben Sie bitte, Herr Professor. Sie brauchen wirklich nicht hinauszugehen.«
    Er dankte durch eine leichte Verbeugung und wandte sich wieder seinem Blatt zu. Nur mit halbem Ohr hörte er das Gespräch seiner Sekretärin, und da er nicht neugierig war, vergaß er auch das wenige, was er gehört hatte, sofort wieder.
    Miss Cell hatte den Hörer genommen.
    »Ja, hallo? Hier spricht Porty Cell.«
    »Hier ist das Anwaltsbüro Smith & Miller. Wir bearbeiten eine Erbschaftsangelegenheit aus dem Ausland. Mr. Smith hätte Sie in dieser Angelegenheit gern umgehend gesprochen. Die Sache eilt nämlich.«
    »Erbschaftsangelegenheit?«, fragte Porty überrascht. Ihr war sofort eingefallen, dass ihre Eltern ja aus den Niederlanden in die Staaten eingewandert waren. Aber ihre Eltern waren tot, und sie selbst hatte keinerlei Kontakt mit irgendwelchen Verwandten, die noch in Europa existieren mochten.
    »Es tut mir leid, ich bin nicht befugt, Ihnen jetzt schon Näheres mitzuteilen, Miss Cell«, sagte die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. »Wäre es Ihnen möglich, noch heute eine halbe Stunde für Mr. Smith zu erübrigen? Mr. Smith würde es innerhalb der nächsten Stunde am besten passen. Vielleicht können Sie einen Termin nennen.«
    »Wo ist Ihr Büro? Ich kann sofort hinkommen.«
    »Es ist etwas schwierig zu finden. Ich soll Sie mit einem Wagen abholen. Vielleicht können Sie mir sagen, wo ich Sie erwarten darf? Ich komme mit Mr. Millers Wagen, einem braunen Cadillac. Die Farbe ist etwas ungewöhnlich und nicht zu übersehen.«
    »Ich könnte vielleicht hier auf Sie warten. Wann können Sie hier sein?«
    »In zehn Minuten.«
    »Gut. Ich warte hier.«
    »Danke, Miss Cell. So long.«
    Miss Cell legte den Hörer auf.
    »Entschuldigen Sie, Herr Professor«, sagte sie nachdenklich. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich im Vorzimmer noch zehn Minuten bleibe? Ich werde von der Sekretärin eines Anwalts abgeholt, der mich in einer Erbschaftsangelegenheit sprechen möchte.«
    Holder sah auf.
    »Wollen Sie Rockefeiler beerben?«, scherzte er. »Bleiben Sie nur. Wenn Sie sich eine Erfrischung nehmen möchten, bedienen Sie sich nur. Sie wissen ja, wo alles steht.«
    »Ja, vielen Dank.«
    Porty Cell mixte sich rasch einen Cocktail mit viel Limone und wenig Gin und nahm ihn mit ins Vorzimmer. Behutsam zog sie die Tür hinter sich zu.
    Eine Erbschaftsangelegenheit, dachte sie immer wieder. Komisch, vor einem Jahr hätte ich dringend ein paar Dollars gebraucht, weil ich keine Stellung hatte und Hunger nicht der angenehmste Tischgast ist, und jetzt, da es mir eigentlich ziemlich gut geht, jetzt bekomme ich womöglich ein Vermögen.
    Ein paar Minuten lang träumte sie davon, was sie mit einem vielleicht in Aussicht stehenden Vermögen beginnen wolle. Sie kaufte sich bereits in Gedanken eine neue Wohnungseinrichtung, eine Unmenge hübscher Kleider und den lange ersehnten Pelzmantel.
    Dann sah sie auf die Uhr und stellte fest, dass zehn Minuten fast vergangen waren. Sie trank rasch ihren Gin aus, verabschiedete sich von Professor Holder und ging.
    An der Bordsteinkante wartete ein brauner Cadillac. Miss Cell stieg
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