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0106 - Hügel der Gehenkten

0106 - Hügel der Gehenkten

Titel: 0106 - Hügel der Gehenkten
Autoren: Jason Dark
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Graben ausweichen.
    Dann hörte ich Bills Ruf: »Stopp!«
    Ich bremste.
    Der Bentley stand. Bevor ich aussteigen konnte, riß der Reporter bereits die Tür auf.
    »Was ist denn?« fragte ich und dachte an den luftlosen Reifen.
    Bill Conolly aber belehrte mich eines Besseren.
    »Ich habe einen Schrei gehört«, sagte er.
    Sofort schaltete ich um. Der Wagen war vergessen. Daß Bill sich getäuscht hatte, daran glaubte ich nicht. Mein Freund war ein erfahrener Kämpe.
    Da hörte ich den Schrei ebenfalls.
    Schwach drang er an meine Ohren. »Neiiin! Nicht. Laßt mich. Ich will nicht…«
    »Das war links!« flüsterte mein Freund.
    Und dort befand sich ein Hügel. Leider war es zu dunkel, um etwas erkennen können.
    Aber daß sich ein Mensch in Not befand, daran gab es für mich keinen Zweifel.
    »Komm«, sagte ich und stieß meinen Freund an. Gemeinsam rannten wir los.
    Den Einsatzkoffer ließ ich im Wagen zurück. Es war ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte…
    ***
    Der Blinde hatte Augen!
    Aber was für welche.
    Keine verdrehten, weißen Augäpfel, wie Gulliver angenommen hatte, sondern kalte blaue Pupillen. Und sie waren aus Kristall.
    Mit diesen ›Augen‹ schauten der Blinde den jungen Mann an.
    Gulliver war zurückgewichen. In seinem Rücken spürte er den Vorhangstoff, die Hände hatte er gegen seine Wangen gepreßt, und er konnte den Blick von dem Gesicht nicht lösen.
    Es sah schaurig aus.
    In den beiden Kristallen funkelte und gleißte ein unheimliches Feuer, das tief aus dem Innern des Mannes strömen mußte, denn normales Licht gab es nicht, das sich in den Augen des Blinden brechen konnte.
    Die Kristalle erinnerten Gulliver an Rhomben, und sie sprangen weit aus den Höhlen hervor.
    Noch saß der Blinde auf seinem Bett. Jetzt aber streckte er den Arm aus. Seine Haut zeigte ebenfalls eine leicht bläuliche Farbe, und sein Zeigefinger wies auf den entsetzten jungen Mann.
    »Was willst du hier?«
    »Nichts.« Gulliver schluckte. »Ich… ich …«
    »Du hast mich geweckt!«
    »Ja, ja, natürlich. Aber das wollte ich nicht. Es… es war ein Versehen. Bitte, glauben Sie mir.« Seine Stimme überschlug sich.
    Der Blinde schüttelte den Kopf. »Es war kein Versehen, junger Mann. Du bist zu meiner Tochter gekommen, um sie zu verführen.«
    »Nein, das stimmt…«
    »Lüg nicht!« peitschte die Stimme des Zigeuners, und der junge Student zuckte zusammen. Er duckte sich, als hätte er einen Peitschenhieb bekommen.
    »Liebst du sie?« fragte der Alte plötzlich.
    »Ja.«
    »Sehr?«
    Gulliver nickte.
    »Würdest du für sie in den Tod gehen?«
    Die Frage erschreckte Gulliver zutiefst. Er gab keine Antwort. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken.
    »Würdest du für sie sterben?«
    Gulliver O’Flynn faßte sich ein Herz. Er versuchte, seiner Stimme einen sicheren Klang zu geben. »Ich weiß nicht, was das bedeuten soll«, formulierte er. »Warum soll ich sterben? Ich will nicht sterben, sondern leben – und zwar mit ihr.«
    Der Alte lachte. Es war mehr ein Kichern, aber dieses Geräusch jagte Gulliver eine Gänsehaut über den Rücken. »Das hatte ich mir gedacht, du Bastard. Aber mir nimmt man nichts weg. Vor allen Dingen nicht meine Tochter.« Er kam auf den jungen Mann zu, und bevor dieser eine Bewegung machen konnte, hatte der Blinde ihm die Hand auf die Schulter gelegt.
    Plötzlich spürte Gulliver die Kälte. Sie strömte von den Fingern des Alten aus und glitt in seinen Körper hinein, wo sie das Blut zu gerinnen schien. Alles in ihm wurde kalt, und er sah genau in die blauen Kristallaugen.
    »Ich bin der Schamane«, sprach der Blinde. »Ich bin Ruuf oder vielmehr dessen Nachfolger. Und nichts wird mich daran hindern, an den Bewohnern des Dorfes Rache zu nehmen.«
    Gulliver hörte die Worte, doch er verstand sie nicht. Er verstand überhaupt nichts mehr, denn er besaß keinen eigenen Willen. Der Alte hatte ihm seinen aufgezwungen.
    »Willst du für sie sterben?« fragte er noch einmal.
    Bevor der junge Mann eine Antwort geben konnte, wurde der Vorhang zur Seite gerissen und Saffi erschien.
    »Nein!« rief sie. »Nicht, Vater. Laß ihn in Ruhe, bitte! Du darfst ihn nicht töten!«
    Ruuf schüttelte den Kopf. »Ich werde ihn umbringen. Er gehört zu den anderen.«
    Das Zigeunermädchen rang verzweifelt die Hände. »Er wohnt zwar in Tullverine, aber er ist anders. Er distanziert sich von den übrigen Bewohnern, er liebt mich.«
    »Dann soll er für dich sterben«, forderte Ruuf.
    »Ja, ich will«,
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