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0106 - Hügel der Gehenkten

0106 - Hügel der Gehenkten

Titel: 0106 - Hügel der Gehenkten
Autoren: Jason Dark
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niedriger Schrank und eine einfache Waschgelegenheit vervollständigten die Einrichtung. Sie war wirklich mehr als primitiv. Der junge Student fragte sich, wie Menschen nur so hausen konnten. Dazu noch ein Girl wie Saffi.
    Eine Hälfte ihres Gesichts lag im Schatten. Die andere wurde vom Lichtschein getroffen und schien leicht zu glühen. Zudem machte die Beleuchtung ihre Züge noch weicher und ebenmäßiger, als sie normalerweise schon waren. Gulliver bewegte sich und legte seinen Arm um die Schulter des Zigeunermädchens.
    Als seine Finger ihre Haut berührten, zuckte Saffi zuerst zusammen, saß aber dann still.
    »Was ist denn?« flüsterte Gulliver.
    »Nichts, ich…«
    »Ich möchte dich hier herausholen«, gestand ihr der junge Student. »Du sollst mit mir kommen und nicht in diesem verdammten Wagen hier versauern.«
    »Das geht nicht.«
    »Dein Vater?«
    »Ja.«
    »Unsinn. Vergiß ihn!«
    »Nein, das kann und darf ich nicht. Er hat mich großgezogen. Er hat mir alles beigebracht, ich habe ihm so unendlich viel zu verdanken.«
    »Das haben andere Töchter ihren Vätern auch. Trotzdem gehen sie weg, wenn sie einen Mann kennengelernt haben. Oder gefalle ich dir vielleicht nicht?«
    »Doch.« Und nach einer kurzen Pause. »Sehr.«
    »Na bitte.«
    »Aber bei uns ist das anders. Ich bin erst neunzehn…«
    »Genau das richtige Alter.« Sie lachte leise und beugte sich nach vorn, wobei sie ihre Hände auf den Tisch legte. Zum erstenmal sah Gulliver ihre Finger. Sie waren gebräunt und lang, die Nägel glänzten matt. »Wenn ich heirate, dann nur einen von uns«, erwiderte sie. »Keinen Fremden.« Gulliver hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich muß jemanden heiraten, der zu meinem Volk gehört. Also einen Zigeuner.«
    »Das ist doch nicht wahr.«
    »Es stimmt. Die Tradition schreibt es vor.«
    »Darauf pfeife ich.«
    »Ich kann es nicht.«
    »Willst du dein ganzes Leben in diesem Wagen verbringen?« Sie hob die Schultern. »Was bindet dich an deinen Vater?« erkundigte er sich. »Warum hängst du so an ihm?«
    »Es ist die Tradition.« Gulliver schüttelte den Kopf. »Nein, Saffi. Die Tradition kannst du vergessen. Das war einmal. Wir leben in einem aufgeklärten Jahrhundert und nicht in der Vergangenheit.«
    Saffi drehte den Kopf und schaute den jungen Mann an. »Hast du eine Ahnung, Gulliver.«
    Schweigen entstand. Der Student wurde wieder an die Szene in dem Gasthaus erinnert. Irgend etwas stimmte mit diesem Mädchen nicht und vor allen Dingen nicht mit dem alten Zigeuner. Der Blinde war ihm suspekt, regelrecht unheimlich. Er hatte etwas zu verbergen, das stand fest.
    Außerdem hatte er einen Namen erwähnt, der ebenfalls schrecklich klang.
    Destero!
    Nie zuvor hatte Gulliver diesen Namen gehört, aber er war sicher, daß sich dahinter ein Geheimnis verbarg.
    Und er fragte Saffi danach.
    Das Zigeunermädchen erschrak. Saffi preßte ihre Hand dorthin, wo unter der Haut das Herz schlug. »Um Himmels willen, sprich diesen Namen nicht mehr aus.«
    »Was ist so schlimm daran?«
    »Destero ist ein Henker.«
    »Und?«
    »Dieser Destero ist nicht nur ein Henker, sondern auch ein Dämon. Er hat das Grauen verursacht. Er hat den Hügel der Gehenkten in Besitz genommen, und er war es, der Ruuf, den Schamanen, angeleitet hat. Bitte, vergiß diesen Namen.«
    »Wenn du meinst.«
    Saffi nickte und schaute auf die Uhr. »Du hast jetzt mit mir gesprochen, Gulliver. Tu mir den Gefallen und geh.«
    Der Student war erstaunt. »Du schickst mich weg?«
    »Ja.«
    »Aber warum?«
    »Frag nicht, es ist besser.«
    Gulliver O’Flynn schüttelte den Kopf. »Nein, meine Liebe, ich bleibe hier. Was soll uns denn passieren? Dein Vater schläft, wir sind allein, es stört uns niemand. Ich habe lange genug darauf gewartet, endlich mal ein Girl wie dich zu treffen, und ich möchte dich nicht so einfach gehen lassen.«
    Sie machte eine schnelle Bewegung, und sein Arm rutschte von ihrer Schulter. »Bitte, geh!«
    Gulliver überlegte. Vielleicht war es wirklich besser. Unter Umständen sollte er den Bogen nicht zu sehr überspannen. Wenn er schon einmal das Glück hatte, auf solch ein Girl zu treffen, mußte er seine Ungeduld zügeln.
    »Wie lange bleibt ihr noch hier?« fragte er.
    Sie hob die Achseln. »Die Leute wollen uns weghaben«, erwiderte sie leise.
    »Das ist nur Gerede.«
    »Ist es nicht, Gulliver. Sie hassen die Zigeuner. Ich kenne das, denn ich erlebe das nicht zum erstenmal. So ist es überall auf der Insel. Wir
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