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0106 - Hügel der Gehenkten

0106 - Hügel der Gehenkten

Titel: 0106 - Hügel der Gehenkten
Autoren: Jason Dark
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diskutierten eifrig und lautstark miteinander. Und alle waren einer Meinung: Der Zigeuner mußte weg!
    Aber nicht nur er, sondern auch seine Tochter.
    Das durfte auf keinen Fall geschehen. Wenn das Mädchen jetzt wegfuhr, dann sah er sie niemals wieder.
    In Gulliver O’Flynn festigte sich der Entschluß, gegen die Einwohnerschaft des Dorfes anzugehen. Ganz allein. Und vor allen Dingen auch gegen die alte Kullina, denn sie hetzte und keifte am meisten gegen die beiden Zigeuner.
    Er würde der Alten den Hals umdrehen, wenn sie sich weiterhin so anstellte, dachte er.
    Auf keinen Fall wollte und würde er von Saffi lassen. Das käme einer Vergewaltigung seines Gefühls gleich.
    Gulliver O’Flynn zögerte keine Sekunde mehr, wandte sich nach links und schritt los.
    Der Ort hieß Tullverine und lag ziemlich abgelegen. Die großen Fernstraßen führten an ihm vorbei, man erreichte Tullverine nur auf Nebenstrecken.
    Die Menschen waren arm. Es gab kaum Industrie, nur eine Holzfabrik. Aber die arbeitete schon längst nicht mehr rentabel. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie ihre Tore schloß.
    Diese Probleme interessierten den jungen Studenten nicht. Er kümmerte sich um die Vergangenheit des Landes. Und da gab es gerade in Wales genügend Stoff. Hier lebten die Menschen mit ihrer Vergangenheit. Die Bewohner waren stark mit ihrer Heimaterde verwurzelt. Sie umzusiedeln, war ein großes Problem, worüber die Regierung seit langem grübelte. Deshalb bekamen sie die Arbeitslosenquote aber auch nicht nach unten.
    Die Vergangenheit bestand aus zahlreichen Legenden und Sagen.
    Fast jeder Ort, jeder Platz, Berg oder Hügel hatte seine eigene Geschichte. Da wurde von Zauberern erzählt, von Magiern und von Schamanen.
    Gerade die Schamanen traten in Wales besonders häufig auf. Es waren Zauberpriester, die oft auch die Rolle des Arztes übernahmen. Die Schamanen heilten Kranke, führten einen Jagdzauber durch, um verlorenes Vieh zurückzuholen, und betrieben die Wahrsagekunst. Ihnen dienten Hilfsgeister, und sie hatten den Zugang zu einer überirdischen Welt.
    Im Prinzip waren die Schamanen jedoch gut. Es gab allerdings auch bei ihnen schwarze Schafe.
    Und eines dieser schwarzen Schafe hatte ausgerechnet in Tullverine sein Unwesen getrieben.
    Vor vierhundert Jahren war es gewesen, als sich ein Schamane namens Ruuf das Dorf Untertan machte und die Menschen nach seiner Pfeife tanzen ließ.
    Er hatte sich mit einem gewaltigen Dämon verbündet, dessen Name Destero lautete. Destero war ein Henker, und noch heute sprachen die Menschen seinen Namen nur flüsternd aus. Zusammen mit Ruuf schloß er einen grausamen Pakt. Auf dem Hügel vor dem Dorf wurde ein Galgen errichtet, und wer nicht gehorchte, den hängte Destero auf. Ruuf führte zuvor die Verhandlung. Kein Geschichtsbuch und keine Chronik schrieb jemals davon, daß er auch nur einen Angeklagten freigesprochen hatte. Er trieb sie alle Destero zu, der die Menschen hängte. Ihre Seelen brauchte er für das Schattenreich.
    Irgendwann gelang es dann einem jungen Mann, das Dorf zu verlassen und Hilfe zu holen.
    Er fand sie bei den Mönchen in den Bergen. Sie vertrieben den Schamanen, und damit war auch die Ära des Destero beendet. Von ihm hatte man nie wieder etwas gehört.
    Aber auch der Galgen existierte nicht mehr. In einer stürmischen Nacht, so erzählte die Geschichte, verschwand er plötzlich von der Bildfläche.
    Niemand wußte wohin.
    Doch der Hügel der Gehenkten blieb weiterhin in der Erinnerung der Menschen haften.
    Sie erzählten oft darüber, und die Geschichten wurden ausgeschmückt. Jeder im Dorf wußte um den Hügel der Gehenkten, niemand betrat ihn, und genau dort, wo der Galgen gestanden hatte, war die Erde verbrannt. Es wuchs kein Gras mehr, nichts…
    Nur Gulliver O’Flynn hatte es gewagt, auf den Hügel zu steigen.
    Und er hatte sich gewundert, denn dicht vor der Kuppe waren noch die alten, in die Erde eingestochenen Trittstufen zu sehen, über die die Delinquenten damals dem Galgen entgegenstiegen.
    Obwohl Gulliver O’Flynn wirklich nicht an Geister glaubte, hatte ihn doch ein seltsames Gefühl beschlichen, als er auf dem Hügel stand und hinunter zum Dorf schaute.
    Irgendwie war dort oben die Luft anders. Kälter und beklemmender. Das Böse schien dort zu lauern, es hatte auf dem Hügel eine Heimat gefunden.
    Er hatte sich auch nicht lange dort aufgehalten, sondern war rasch wieder herabgestiegen. Auf jeden Fall hatte er auch im Dorf nichts von seinem Ausflug
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