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0104 - Portaguerra

0104 - Portaguerra

Titel: 0104 - Portaguerra
Autoren: Richard Wunderer
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linken Fuß voran. Er klebte förmlich an der Felswand, dachte nicht mehr an den Abgrund unter sich, an die fünfhundert oder sechshundert Meter, die er stürzen würde, wenn er den Halt verlor.
    Er wollte nur noch weg, möglichst weit von dieser mordenden Bestie, die seine beiden Brüder umgebracht hatte!
    Dann war das Sims zu Ende. Von hier an mußte Jerome senkrecht nach oben klettern.
    Bevor er sich an den Aufstieg machte, drehte er kurz den Kopf nach rechts. Und stieß ein heiseres Stöhnen aus.
    Die Mumie folgte ihm mit einer Schnelligkeit, die er nicht einmal dem geübtesten Bergsteiger zugetraut hätte. Ihn peitschte die Todesangst voran, aber dieses Monster wurde von Mordgier getrieben.
    Er schnellte sich hoch, griff nach einem fingerbreiten Vorsprung, spürte den brennenden Schmerz in den aufgeschundenen Fingerspitzen und biß die Zähne zusammen. Seine Arme spannten sich an. Mit einem Klimmzug brachte er sich außer Reichweite der Mumie, quetschte die Füße in eine waagrecht verlaufende Spalte, schob sich höher und griff nach.
    Weiter!
    Jetzt befand er sich schon drei Körperlängen über dem Sims.
    Geschafft!
    Für einen Moment atmete er tief durch. Dann blickte er unter sich.
    Er sah eben noch, wie die Mumie einem Schatten gleich die Felswand heraufglitt, sah die Hand, die nach ihm griff.
    Im nächsten Augenblick spürte er den eisernen Druck der eiskalten Finger an seinem Knöchel, schrie gellend auf und legte seine ganze Kraft in die Hände. Er krallte sich fest und stieß mit dem rechten Fuß nach der Mumie.
    Er konnte sie nicht abschütteln. Die Hand löste sich nicht von seinem Knöchel.
    Mit einem mörderischen Ruck riß ihn die Mumie aus der Wand, Jerome kippte nach hinten. Sein Schrei verhallte ungehört.
    Er fühlte sich schwerelos, fiel mit ausgebreiteten Armen, riß die Augen auf und sah Berge und Himmel in einem rasenden Wirbel vorbeiziehen.
    In den Sekunden des Sturzes schossen ihm Bilder durch den Kopf, die Gesichter seiner Brüder und seiner Eltern. Jetzt verloren sie auch den dritten Sohn, dachte er noch.
    Dann prallte er gegen den ersten Felsvorsprung. Der Aufschlag löschte sein Bewußtsein aus.
    Jerome Lerois spürte nicht mehr, daß er noch dreimal gegen die Wand stieß, ehe er dicht neben den Leichen seiner Brüder am Fuß der Wand aufschlug…
    Das schaurige Gelächter der Mumie war der Totengesang für die drei Lerois-Brüder.
    ***
    Bill Conolly hielt einladend die Whiskyflasche hoch und sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf und legte die Hand über mein Glas.
    »Nein, danke, Bill, nichts mehr«, wehrte ich ab. »Auch wenn du mich betrunken machst, bleiben die Schwierigkeiten.«
    Der Reporter grinste breit. »So war das nicht gemeint, John. Dann vielleicht einen Saft?«
    Ich winkte noch einmal ab. »Du willst nur von den Schwierigkeiten ablenken, Bill«, meinte ich lächelnd. »Aber es hilft nichts. Ich bin und bleibe Oberinspektor bei Scotland Yard, muß meinen Dienst tun und kann im Moment keinen Urlaub nehmen, um mich um diese Sache in den französischen Alpen zu kümmern.«
    »Na ja, schon, das sehe ich ein«, druckste Bill herum. »Aber… du hast doch im Moment keinen wichtigen Fall, oder? Und das spurlose Verschwinden dieser drei jungen Männer in Frankreich ist sehr mysteriös.«
    Ich griff seufzend nach meinen Zigaretten. Draußen im Garten von Bills schönem Haus am Stadtrand von London spielte der kleine Johnny mit einigen Kindern aus der Nachbarschaft. Die Sonne schien warm, Bill hatte die Terrassentür geöffnet. Die Gardinen bauschten sich in dem leichten Lufthauch, der zu uns herein zog. Da Bills Frau Sheila für ein paar Tage verreist war, hatte ich angenommen, Bill hätte mich aus Langeweile eingeladen, und da ich an diesem Dienstag frei hatte, war ich gekommen. Und nun präsentierte er mir einen möglichen Fall.
    »Du hast ja recht, Bill«, gab ich zu, während die ersten Rauchschwaden um die Deckenlampe zogen. »Aber wie bekomme ich einen offiziellen Auftrag des Yard? Oder wenigstens ein paar freie Tage, um mir die Sache selbst anzusehen? Außerdem bin ich kein Bergsteiger, wie du weißt.«
    »Macht nichts«, erklärte Bill großzügig. »Shaun Loughelin wird dir in allen Punkten helfen. Mit seiner Unterstützung könntest du sogar den Himalaja besteigen.«
    »Da bin ich aber beruhigt«, murmelte ich. »Diese drei jungen Männer sind also spurlos verschwunden?«
    »Wie vom Erdboden verschluckt!« Bill beugte sich eifrig vor. Er merkte, daß ich mich
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