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0104 - Portaguerra

0104 - Portaguerra

Titel: 0104 - Portaguerra
Autoren: Richard Wunderer
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junge Mann stand fest auf beiden Beinen, doch der fürchterliche Schlag riß ihn nach hinten. Jacques und Jerome sahen seine entsetzt geweiteten Augen, in denen das Weiße gespenstisch schimmerte, seinen aufgerissenen Mund, hörten seinen grauenhaften Schrei und mußten hilflos mitansehen, wie ihr Bruder rücklings über die Kante hinauskippte.
    Sein Todesschrei verhallte in der Tiefe…
    Jacques taumelte zwei Schritte vor. Verzweifelt und fassungslos hob er die Hände, als wolle er nach dem Bruder greifen, dem niemand mehr helfen konnte.
    Jerome ließ sich fallen und schob sich vor, bis sein Kopf über dem Abgrund hing. Sein Verstand faßte das Grauen noch nicht. Tief unter ihm wirbelte Jeans Körper durch die Wand, prallte gegen einen Vorsprung und wurde weggeschleudert, fiel und fiel, streifte erneut die Felsen und drehte sich wie ein Rad.
    Die Dunkelheit am Fuß der Todeswand schluckte Jean…
    Neben Jerome erklang ein trockenes Schluchzen. Er hob den Kopf. Jacques stand wie zu Stein erstarrt auf der »Nase«, das Gesicht zu einer Maske gefroren.
    »Paß auf!« brüllte Jerome. Er kam nicht schnell genug auf die Beine, als hinter der Felskante wieder der tückische Arm hervorschnellte. Aber Jacques stand nicht so nahe wie Jean. Die bleiche Hand fuhr ins Leere. Ein wütender Schrei erscholl. Jacques wirbelte herum und wich zurück, als im nächsten Moment Jeans Mörder auftauchte.
    Die Augen der beiden Männer weiteten sich ungläubig, als sie den Knochenschädel unter der schwarzen Kapuze, den vorne aufklaffenden bodenlangen Mantel und darunter den mumifizierten Körper sahen.
    Das war Wahnsinn, durchfuhr es Jerome. Wahnsinn! Der reinste Horror! Eine Mumie, die sich bewegte und auf dem schmalen Grat ausschritt, als wäre es ein breiter Weg!
    Die Schrecksekunde wurde den beiden zum Verhängnis. Jacques war so geschockt, daß er sich nicht von der Stelle rührte.
    Jerome dachte schneller als sein Bruder. Er erkannte, daß sie gegen dieses Wesen hilflos waren, was immer das auch sein mochte.
    »Weg hier!« schrie Jerome und packte Jacques am Arm. Mit einem kraftvollen Ruck riß er seinen Bruder zu sich.
    Doch in diesem Moment schnellten die Hände der Mumie vor.
    Die hageren Finger, an denen sich welke, pergamentene Haut über die Knochen spannte, krallten sich in Jacques anderen Arm.
    Ein ungleicher Kampf entbrannte. Jacques brüllte vor Grauen und Schmerz. Seine Füße scharrten über den Felsen. Er konnte das Gleichgewicht nicht mehr halten. Je nachdem, wer kräftiger zog, schwankte er nach links oder nach rechts.
    Sein Kopf pendelte hin und her. Mal stierte er in die gelbliche Fratze der Mumie mit dem kleinen, tückischen Augen tief in den knöchernen Höhlen und den gefletschten, langen Zähnen, dann sah er das vor Anstrengung und Entsetzen verzerrte Gesicht seines Bruders.
    Es war ein lautloser Kampf, was Jerome und die Mumie betraf.
    Und Jacques Schmerzens-und Verzweiflungsschreie erstarben Sekunden später, als er ohnmächtig zusammenbrach.
    Das war das Ende! Kaum knickten Jacques Beine in den Knien ein, als Jeromes Hände von seinem Arm abglitten. Jerome konnte die zusätzliche Last nicht mehr halten.
    Aus dem Maul der Mumie schlug Jerome gellendes, höhnisches Gelächter entgegen.
    Der schlaffe Körper flog wie eine Gliederpuppe mit schlenkernden Armen und Beinen hoch und über den Rand der »Nase« hinaus. Es traf Jerome wie ein Schlag. Auch sein zweiter Bruder war dem Tode geweiht, rettungslos verloren, mußte in wenigen Sekunden am Fuß der Wand zerschmettern!
    Jerome handelte instinktiv. Diesem Scheusal konnte er nicht standhalten. Ohne klar zu denken, begriff er, daß er es mit einem Wesen aus einer anderen Welt zu tun hatte und nicht mit einem lebenden Menschen.
    Noch ehe ihn die Mumie packen konnte, warf er sich herum und hastete zurück. Er mußte aus dieser Wand heraus und im Hotel Hilfe holen! Mein Gott, dachte er, wie weit doch die Menschen entfernt sind! Niemand ahnt, welches Grauen sich hier in der Wand abspielt! Niemand hat auch nur die leiseste Idee, daß ein Scheusal in der Nordwand auf Opfer lauert!
    Die ersten Meter ging es ganz gut. Jerome hastete auf dem Felssims entlang, die Arme über den Kopf erhoben und gegen die Felswand gepreßt. Seine Fingerkuppen schrammten über den Stein, krallten sich für Bruchteile von Sekunden fest, rutschten ab, wanderten weiter. So schnell wie noch nie in seinem jungen Leben setzte er den linken Fuß seitlich, zog den rechten nach, schob wieder den
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