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0104 - Portaguerra

0104 - Portaguerra

Titel: 0104 - Portaguerra
Autoren: Richard Wunderer
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der Untoten. Er mußte dennoch Shaun loslassen und sich selbst in Sicherheit bringen. Mehrere Silberkugeln wären vermutlich auch sein Ende gewesen.
    Shaun raubte mir die Möglichkeit, den Magier auszuschalten. Er ahnte nicht, daß er mir in die Schußlinie geriet, als er aufsprang und sich mit einem Hechtsprung auf den einzigen überlebenden Lerois-Bruder warf. Seine Hände zuckten genau in dem Moment vor, als sich der lebende Leichnam über Minouche beugte, um den Mord doch noch auszuführen.
    Shauns Fäuste trafen die Brust des Wiedergängers. Hinter dem Schlag lag eine so ungeheure Wucht, daß es den lebenden Toten vom Boden hob und über die Kante hinaus katapultierte.
    Ich feuerte die restlichen Silberkugeln des Magazins auf Portaguerra ab, doch der Magier hatte sich inzwischen auch wieder aufgerafft und floh. Er humpelte – sein rechter Fuß war zu Staub zerfallen – bis dicht an die Felswand und verschwand im nächsten Moment auf einem Sims, das ich bereits von der »Nase« aus gesehen hatte. Meine Kugeln prallten von den Steinen ab und jaulten als Querschläger durch die kristallklare Gebirgsluft davon.
    Kristallklar? Tatsächlich! Der Nebel hatte sich aufgelöst.
    Hastig schob ich mich weiter vor. Ich sah den letzten Lerois-Bruder. Für einen Moment stockten meine klaren Gedanken.
    Auf halber Höhe der Steilwand klebte der Untote wie eine Fliege an einem senkrechten Felsen. Die schwarze Magie seines Meisters hatte ihn vor dem Sturz bis ins Tal bewahrt.
    Ich lag auf dem blanken Gestein und konnte es noch nicht fassen, daß die beiden Menschen dort unten noch lebten. Es war absolut aussichtslos gewesen, und ich hatte Shaun und seine Frau bereits aufgegeben. Trotz meiner grenzenlosen Erleichterung dachte ich zuerst an das Wichtigste und lud meine Beretta nach. Ich konnte mir kaum vorstellen, daß sich Portaguerra so schnell geschlagen gab.
    »Shaun!« Ich legte die Hände als Schalltrichter an den Mund.
    »Schafft ihr es?«
    Er hatte sich natürlich schon um seine Frau gekümmert. Jetzt zog er sie auf die Beine, drückte sie an sich und nickte mir zu. Ich atmete auf, da ich den beiden kaum hätte helfen können.
    Ich rührte mich erst von der Stelle, als Shaun und Minouche neben mir standen. Sie hing wie eine Schlafwandlerin an seinem Arm.
    Shaun streckte mir die schwielige Hand entgegen. Ich schlug ein.
    »Danke«, sagte er. Mehr nicht, aber in diesem Wort schwang mehr als in einer langen Rede.
    Wir gingen schweigend zum Hotel zurück. Minouche Loughelin erholte sich nicht. Sie war körperlich und nervlich fertig, was ich nur zu gut verstand.
    »Ich bringe sie nach Hause und komme wieder zu euch herauf«, flüsterte Shaun mir zu, als wir uns vor dem Hotel trennten.
    »Bleib bei ihr, sie braucht dich«, erwiderte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich werde dafür sorgen, daß jemand bei Minouche ist, John. Und dann komme ich wieder. Ich habe hier oben noch eine Rechnung zu begleichen.«
    Ich sah ein, daß ich ihn nicht umstimmen konnte, weshalb ich auf Widerspruch verzichtete. Ich sah den beiden nach, wie sie zu der Seilbahnstation gingen, und betrat das Hotel.
    Meine erste Frage an der Rezeption galt Jane. Ich erfuhr, daß sie einen Spaziergang zu der Seilbahnstation machte. Wahrscheinlich unterhielt sie sich mit diesem Chalor, dachte ich und ging auf mein Zimmer. Jane war ein sehr selbständiger Mensch, der kein Kindermädchen brauchte. Sie mochte es gar nicht, wenn man sie auf Schritt und Tritt überwachte.
    Hätte ich nur einmal eine Ausnahme gemacht, und hätte ich bloß riskiert, Jane zu verärgern! Bestimmt wäre alles ganz anders gekommen, und das Schlimmste hätte sich verhüten lassen!
    ***
    Dieses Wesen vor Jane besaß keine menschlichen Gefühle mehr. Sie durfte nicht auf Mitleid oder Gnade hoffen. Der Untote hatte einen Befehl erhalten, den er unter allen Umständen ausführen würde.
    Jane wußte, daß ihr der Wiedergänger haushoch an Kräften überlegen war. Dennoch gab sie nicht auf. Sie wälzte sich blitzartig zur Seite, als er nach ihr griff, und seine Händen prallten gegen die Steine, auf denen sie eben noch gelegen hatte.
    Sie warf einen Blick in die Richtung des Hotels, ob sie von dort Hilfe bekam, doch sie war einen Abhang hinuntergerollt und lag so unglücklich, daß man sie nicht sehen konnte.
    Sie war ganz auf sich allein gestellt.
    Lautlos folgte ihr der Untote. Nichts regte sich in seinem erstarrten Gesicht, als er erneut nach ihr griff.
    Jane rannte los. Es war unerträglich kalt
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