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0100 - Die Schule der Dämonen

0100 - Die Schule der Dämonen

Titel: 0100 - Die Schule der Dämonen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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wollte er wissen.
    »Ein Dieb«, sagte der Unhold. »Ein Autodieb. Er hat in Limaux einen Wagen gestohlen. Wir müssen ihn festnehmen. Tut uns leid, daß wir Unruhe in Ihr Lokal bringen, Monsieur.«
    »Mir auch«, erwiderte der dicke Mann. »Dies ist ein anständiges Etablissement, wissen Sie?«
    »Natürlich, Monsieur.«
    Das Scheusal mit den drei schuppigen Schlangenköpfen nickte dem Wirt zu, wandte sich dann wieder an d’Avallon.
    »Kommen Sie, Mann!« schnarrte es geifernd.
    André d’Avallon war wie gelähmt. Die Todesangst hatte ihn völlig in ihren Bann geschlagen. Keiner der zahlreichen Menschen im Lokal machte Anstalten, ihm zu helfen. Warum sollten sie auch, die mit Scheuklappen versehenen Ignoranten?
    Er wurde sich bewußt, daß er noch immer den Telefonhörer in der Hand hielt, daß Worte aus der Hörmuschel drangen.
    »… sieur d’Avallon, hören Sie mich? Melden Sie sich doch!«
    D’Avallon riß sich zusammen, hob den auf die Brust gesunkenen Hörer wieder hoch.
    »Professor!« sprudelte er in die Muschel. »Ich bin hier in…«
    Eine schleimige Klaue schlug auf die Gabel, unterbrach die Verbindung abrupt. Schmerzen durchzuckten d’Avallon, als die Krallen der Ungeheuer sich durch den Anzugstoff hindurch in sein Fleisch bohrten.
    »Sie sind verhaftet!« hörte er eins der Scheusale sagen. Er wußte, daß damit gleichzeitig das Todesurteil über ihn verkündet worden war.
    D’Avallon ergab sich in sein Schicksal.
    ***
    Jules Jarier, der Pfarrer von Limaux, war ein Mann, der ausgesprochen gemütlich aussah. Ein schwabbelndes Doppelkinn und eine rotgeäderte Nase verrieten, daß er gutem Essen und geistigen Getränken durchaus zugeneigt war.
    Aber er war auch anderen Vergnügungen zugetan. So las er gerade sehr interessiert in der ›Historie d’O‹, als an die Tür seiner Wohnstube geklopft wurde. Auf sein Herein betraten seine Haushälterin und Madame Rolland, die Vorsitzende des Mütter Vereins von Limaux, den Raum.
    Madame Rolland, eine Matrone mit gewaltigem Busen und ebenso gewaltigen Hüften, war außer sich vor Zorn.
    Schon von der Tür aus flogen Jarier empörte Worte entgegen: »Herr Pfarrer, es gehen unglaubliche Dinge vor!«
    Jarier legte ganz ruhig sein Buch zur Seite und forderte Madame Rolland auf, Platz zu nahmen. Die Haushälterin verließ unterdessen das Zimmer.
    Die Rolland wuchtete ihre walkürenhafte Figur in einen Sessel.
    »Na, meine liebe Madame Rolland, was ist denn so unglaublich?« fragte der Geistliche.
    »Die Kirche!« sprudelte die Frau hervor. »Gotteslästerer sind am Werk! Sie demontieren das Bildnis des heiligen Bartholomé und ersetzen es durch eine… widerwärtige Götzenfigur!«
    »Ach, das meinen Sie«, erwiderte Jarier leichthin.
    »Sie wissen davon?« empörte sich Madame Rolland.
    »Natürlich weiß ich davon. Ich habe sogar den Auftrag gegeben, Bartholomé rauszuschmeißen.«
    »Waaaaas?«
    »Sie haben ganz richtig verstanden, Madame Rolland. Und was Sie da eine widerwärtige Götzenfigur nennen, ist in Wirklichkeit ein sehr schönes Bild des Gottes Bacchus.«
    »Gott Bacchus?« röchelte die überaus fromme Frau.
    »Bacchus ist der römische Gott des Weines«, sagte Jarier. »Bacchus wurde bereits in Limaux verehrt, als Gallien eine römische Kolonie war. Warum soll er nicht auch heute verehrt werden? Noch dazu in einer Stadt, die vom Champagner lebt. Limaux verdankt dem Gott Bacchus vieles, Madame Rolland!«
    »Aber«, flüsterte die Frau, »es heißt doch: Du sollst keine fremden Götter…«
    »Hol’s der Geier«, unterbrach Jarier sie brüsk. »Warum sollte es uns kümmern, was irgendwo geschrieben steht? Limaux lebt vom Weinbau, allein das ist wichtig. Nicht zuletzt auch für Sie, Madame Rolland! Ihr Mann arbeitet doch auf dem Weingut von Jacques Monterand, nicht wahr?«
    Die Frau nickte stumm.
    »Na also«, sagte der Pfarrer befriedigt. »Denken Sie mal richtig darüber nach.«
    Madame Rolland dachte darüber nach. Und je länger sie es tat, desto schwankender wurde sie in ihrer Überzeugung. Es sprach viel Wahres aus den Worten des Geistlichen. Was war Limaux ohne Wein? Was waren die Bürger von Limaux ohne Wein? Eine schlechte Lese konnte sie alle an den Rand des Hungertuchs bringen. Es konnte ganz bestimmt nicht schaden, diesen Gott Backus, oder wie er hieß, gnädig zu stimmen.
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte die Frau und erhob sich aus ihrem Sessel.
    »Natürlich habe ich recht«, gab Jarier zurück. »Und wenn Sie noch ein übriges
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