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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung
Autoren: Mary Balogh
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Lordschaft war - gegen den erklärten
Willen seines Vaters, so wurde gemunkelt - als großer, schlanker, blonder
und hübscher Junge in den Krieg gezogen. Als er sechs Jahre später
zurückkehrte, hatte er sich so sehr zu seinem Vorteil entwickelt, dass er kaum
wiederzuerkennen war. Er war breit, wo ein Mann breit sein sollte, schlank, wo
ein Mann schlank sein sollte, gesund und kräftig und mit ausgeprägten
Gesichtszügen. Selbst die Narbe einer alten Säbelverletzung, die sein Gesicht
von der rechten Schläfe bis zum Kinn durchzog und Auge und Mundwinkel nur knapp
verfehlt hatte, schien sein gutes Aussehen eher noch zu betonen, als ihn zu
entstellen. Und was Miss Edgeworth betraf - sie war groß und schlank und
schön wie gemalt, mit ihren dunklen, glänzenden Locken und Augen, die von den
einen als rauchfarben beschrieben wurden und von den anderen als violett, wobei
alle übereinstimmten, dass sie ungewöhnlich entzückend waren. Und sie hatte
geduldig bis zu einem fast gefährlich fortgeschrittenen Alter auf ihren Grafen
gewartet - sie war immerhin schon vierundzwanzig.
    Es
passte also alles sehr gut zusammen und war in höchstem Maße romantisch, da
waren sich alle einig.
    Seit
zwei Tagen schon zog ein steter Strom vornehmer Kutschen durch das Dorf, von
den schlichteren Gemütern begafft und von den vornehmeren verhalten durch
Wohnzimmergardinen beäugt. Die halbe bessere Gesellschaft Englands erschien zu
dem Ereignis, so erzählte man sich, und mehr Adlige, als manch einer überhaupt
in England, Schottland und Wales zusammen vermutet hätte. Die Gerüchteküche
brodelte - obwohl es doch mit Sicherheit mehr war als ein Gerücht, da es
direkt von dem ersten Cousin eines Schwagers der Tante eines der Küchenmädchen
aus Newbury kam: Es gäbe kein einziges Schlafgemach auf dem Landsitz, das nicht
von Gästen belegt sei. Und es gab dort eine gewaltige Anzahl von Gemächern.
    Auch
einige ortsansässige Familien hatten Einladungen erhalten - zu der
Hochzeit und dem anschließend auf dem Landsitz stattfindenden Frühstück und zu
dem großen Ball, der am Vorabend der Hochzeit stattfand. In der Tat konnte sich
niemand an größere Feierlichkeiten erinnern. Selbst das niedere Volk war nicht
nur zum bloßen Beobachten verdammt. Während die Hochzeitsgäste ihr Frühstück
einnähmen, würden die Dorfbewohner ebenfalls ein üppiges Mahl genießen können,
das auf Geheiß und auf Kosten des Grafen im Gasthaus gereicht werden würde.
Danach sollte auf dem Dorfanger ein Tanz um den Maibaum stattfinden.
    Am
Vorabend der Hochzeit herrschte im Dorf geschäftiges Treiben. Den ganzen Tag
schon schwebten die Düfte köstlicher Speisen aus der Küche des Gasthauses und
steigerten noch die Vorfreude auf das Fest am nächsten Tag. Einige Frauen
deckten die Tische im Versammlungsraum, während ihre Männer den Maibaum mit
bunten Bändern schmückten und die Kinder ausschimpften, weil sie daran zogen
und allen im Weg standen. Miss Taylor, altjüngferliche Tochter eines früheren
Vikars, und ihre jüngere Schwester Miss Amelia halfen der Frau des Vikars, die
Kirche mit weißen Schleifen und Frühlingsblumen zu dekorieren, während der
Vikar neue Kerzen in die Ständer steckte und von dem Ruhm träumte, den ihm
dieser Tag bringen würde.
    Der
nächste Morgen würde die Zusammenkunft aller illustren Gäste und ihrer Karossen
im oberen Dorf erleben. Und den Auftritt des Grafen, den man in seinem
Hochzeitsstaat bewundern konnte, und die Braut in dem ihrigen. Und -
höchste aller Wonnen - es würde ein frisch vermähltes Paar geben, dem man
zujubeln konnte, wenn es aus dem Kirchenportal heraustrat, während die
Kirchenglocken laut die frohe Botschaft verkündeten, dass es eine neue, junge
Gräfin auf Newbury Abbey gab. Und dann würde das ausgelassene Feiern beginnen.
    jeder
schaute mit wachem Blick zum westlichen Horizont, wo sich die meisten aller
Unwetter zusammenbrauten. Aber es gab nichts Unheilverkündendes zu sehen. Es
war ein klarer, sonniger, angenehm warmer Tag. Im Westen waren keine Anzeichen
von Wolken zu entdecken. Es sah so aus, als ob auch der morgige Tag schön
werden würde - und das war nur recht und billig. Nichts durfte diesen Tag
verderben.
    Niemand
kam auf den Gedanken, nach Osten zu blicken.
    ***
    Die Kutsche aus
London ließ Lily vor dem Gasthaus in Upper Newbury aussteigen. Welch ein
schönes Fleckchen Erde, dachte sie, atmete die kühle, leicht salzige Abendluft
ein und fühlte sich, trotz ihrer Müdigkeit und
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