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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung
Autoren: Mary Balogh
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muss es wissen. Ich muss es mit
dir teilen, damit zwischen uns keine Schatten bleiben. Und vielleicht hast du
das Bedürfnis, es zu erzählen. Ich habe das Bedürfnis, dir zu helfen, dich
davon zu befreien, wenn ich kann. Ich brauche ...«
    »Vergebung?«,
sagte sie, als er den Gedanken nicht zu Ende führte. Ihr Finger strich über die
Narbe in seinem Gesicht. »Du hast getan, was du konntest, Neville, sowohl für
mich als auch für die Männer, die in der Schlucht starben. Es war Krieg. Und es
war Papa, der mich auf diesen Spähtrupp mitgenommen hatte. Ich kannte das
Risiko, er kannte es. Du darfst dir nicht die Schuld geben. Das darfst du
nicht. Doch ja, ich werde es dir erzählen. Und dann werden wir beide den
Schmerz loslassen. Gemeinsam. Er wird endlich der Vergangenheit angehören, wo
er hingehört.«
    Noch in
diesem Moment wünschte er sich, er hätte es nicht angesprochen. Er wünschte, er
hätte ihre wunderbare Nacht vor dem Eindringen jener Hässlichkeit bewahrt, der
sie sich noch nie gemeinsam gestellt hatten.
    »Sein
Name war Manuel«, sagte sie leise.
    Sie
atmete langsam und vernehmlich ein. »Ja. Sein Name war Manuel«, sagte sie. »Er
war klein und von drahtiger Gestalt und gut aussehend und charismatisch. Er war
der Anführer einer Gruppe von Partisanen und ein fanatischer Nationalist. Er
war seinen Landsleuten gegenüber leidenschaftlich loyal und fürchterlich
grausam zu seinen Feinden. Ich war sieben Monate lang seine Frau. Ich glaube,
er hatte mich lieb gewonnen. Er weinte, als er mich gehen ließ.«
    Er
hielt sie fest umschlungen, während sie fortfuhr. Und nachdem sie aufgehört
hatte zu reden. Am Ende hatte sie geweint. Sie weinte jetzt. Genau wie er.
    »Es ist
überflüssig, es zu sagen«, murmelte er ihr ins Ohr, als er seine Stimme wieder
unter Kontrolle hatte, »weil du keine Schuld trägst, Lily. Aber ich weiß, du
machst dir Vorwürfe, weil du lebst, während jene französischen Gefangenen
sterben mussten. Und weil du jenem Mann erlaubtest, deinen Körper zu benutzen,
statt bis zum Tod zu kämpfen. So werde ich es aussprechen, meine Liebe, und du
musst mir glauben. Es sei dir verziehen. Ich vergebe dir.«
    Ihre
Tränen versiegten schließlich, und sie schnäuzte sich in ein Taschentuch, das
er in der Tasche seines Mantels gefunden hatte.
    »Danke«,
sagte sie. Sie lächelte bebend. »Es muss nicht gesagt werden, weil du keine
Schuld trägst, Neville. Aber ich weiß, dass du es hören musst. Ich vergebe dir,
dass du versagt hast, mich zu schützen, dass du es versäumt hast, nach mir zu
suchen, dass du nach England heimgekehrt bist und dein Leben fortgesetzt hast.
Es sei dir verziehen.«
    Er zog
ihren Kopf an seine Brust und strich ihr mit sanften Fingern durchs Haar. Er
blickte ins Feuer.
    Seltsame
Nacht, dachte er. Fast wie die erste Nacht, die sie zusammen verbracht hatten,
Hässlichkeit und Trauer auf der einen Seite, Liebe und Glückseligkeit und
körperliche Leidenschaft auf der anderen verwoben sich zu jenem Stoff, den man
Leben nannte. Der es trotz allem wert war, dafür zu leben und zu kämpfen.
Solange es Liebe gab - jenes undefinierbare Element, das allem eine
Bedeutung gab und einen Wert, der mit Worten nicht zu beschreiben war.
    Es war
genau richtig gewesen, der letzten schmerzvollen Barriere ausgerechnet in
dieser Nacht die Stirn zu bieten. Sich gegenseitig offen einzugestehen, dass
der Weg zu dieser Nacht und zu dieser Hütte ein langer und schwieriger gewesen
war. So hatten sie begriffen, dass sie die Bürden des anderen gemeinsam
erleichtern und sich gegenseitig Vergebung und Frieden, Liebe und Leidenschaft
schenken konnten.
    »Lily.«
Er küsste sie auf den Mund. »Lily ...«
    Sie
presste sich an ihn.
    Es war
ein heftiges Lieben, ohne Vorspiel, ohne lange Zärtlichkeiten. Es war die
Sehnsucht zweier Körper, über das Verlangen hinaus, über Lust hinaus, über
schlichte sexuelle Leidenschaft hinaus zum wahren Kern der Liebe vorzudringen.
Und sie wurden damit gesegnet, ihn dort in der Hütte neben dem Teich und dem
Wasserfall zu finden, ihre letzten Schreie tonlos, ihre befriedigten Körper auf
dem harten Boden auf Decken und Mänteln und anderen Kleidungsstücken ineinander
verwunden.
    Sie
schliefen.
    ***
    Neville schlief
immer noch tief und fest und in die Decken verstrickt, als Lily bereits
aufgestanden war, ihre Kleider in Ordnung gebracht, ihr Haar so gut sie konnte
aufgelockert und ihren Umhang umgelegt hatte. Sie war versucht, ihn dort liegen
zu lassen, aber das
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