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01 Jesses Maria: Kulturschock

01 Jesses Maria: Kulturschock

Titel: 01 Jesses Maria: Kulturschock
Autoren: Carla Berling
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schreiben. Okay, den impotenten Mann fürs Leben brauch ich nicht. Wenn ich mal wieder jemanden kennen lernen würde, wäre das schön, wenn der auch könnte.
    Tollen Computer hat Dr. Schiller. Der Bildschirm- einen Fernseher in der Größe hätte ich gern. Was sind denn das für Fotos? Das muss seine Familie sein. Hübsche Frau. Vier Kinder. Na klasse. Dann weiß er ja, worum es geht. Vier Stück. Das können sich ja nur noch Ärzte leisten. „Guten Tag, Herr Doktor.“
    Großer Gott, ein gut aussehender Frauenarzt. Der sieht aus wie Uli Wickert. Das ist ja wohl das Letzte! Der hätte Schauspieler werden sollen und kein Gynäkologe. Das ist eine Frechheit. Der will uns normalen Frauen doch bloß auf die Nase binden, was wir nicht kriegen können. Wie bei der Geschichte mit dem Fuchs und den Trauben, die zu hoch hängen. Der kann jetzt noch so scheißfreundlich tun, hier bin ich zum ersten und zum letzten Mal. Als ob ich mich vor so einem ausziehen würde! Ein hübscher Frauenarzt ist wahrhaftig das Letzte, was ich gebrauchen kann

Kein Testament
    Ich habe mich erkältet. Das ist nicht weiter tragisch, ich nehme nachher ein Kamille-Dampfbad und reibe mir die Brust mit Tigerbalsam ein, dann trinke ich Fencheltee mit Honig und schlafe mich so richtig aus. Meine Mutter sagte immer: „Schnupfen dauert mit Medikamenten neun Tage und ohne anderthalb Wochen.“ Eben. Also Augen zu und durch. Nicht so wie Manni, der starb immer gleich tausend Tode. Aus jedem Wehwehchen machte er ein Riesendrama, typisch Mann. Wenn die Männer Kinder kriegen müssten, würden sie schon an den Schmerzen der Vorwehen sterben. Von den Presswehen wollen wir gar nicht reden.
    Manni lachte mich aus, als ich ihm das mal sagte, aber als ich erklärte, dass ein Kindskopf so groß ist wie eine Melone und bei uns durch diesen engen Ausgang gepresst werden muss, grinste er.
    Aber als ich sagte, er sollte sich doch mal im Detail vorstellen, er müsste eine Melone scheißen, da war er sofort ruhig.
    Wenn Manni morgens um sechs Uhr zweiundzwanzig noch in seinem Bett lag, anstatt wie jeden Tag pünktlich um diese Zeit auf dem Klo zu sitzen, ahnte ich schon, was los war. Wenn er nasal und langgezogen rief: „Mariiia!“, wusste ich sofort Bescheid. Ich bin bestimmt eine liebevolle und geduldige Krankenschwester, aber nur, wenn einer wirklich krank ist und nicht nur so tut, um mein Mitleid zu bekommen.
    Einmal hatte Manni sich im Hochsommer erkältet. Es war an einem Samstag. Schon morgens hatten wir über zwanzig Grad. Ich konnte durch die Schlafzimmertür sehen, dass er in seinem blauen Streifen-Schlafanzug vor dem Spiegel der Frisiertoilette stand und sich die Zunge rausstreckte. Seinen Unterkiefer drückte er mit dem Zeigefinger nach unten, dabei hatte er die Augen weit aufgerissen und versuchte offensichtlich, sich seine Lungenflügel durch den Rachen anzugucken. Ich hab so getan, als hätte ich ihn nicht gesehen und bin wieder in die Küche gegangen.
    Als er dann rief: „Mariiia!“ und ich rüber zum Schlafzimmer lief, lag er wieder im Bett und hatte sich die Decke bis an die Nase hochgezogen. Ich wurde aggressiv, als ich seine Stimme hörte, er klang so leidend. „Ich bin krank, Maria, ich hab Fieber. Hohes Fieber. Aber das Thermometer ist kaputt, es zeigt nicht richtig an, nur Sechsunddreißignull, das kann nicht stimmen. Du musst unbedingt ein Neues kaufen.“ Super, oder? Woher wollte er wissen, dass er hohes Fieber hatte, wenn das Thermometer kaputt war? „Weil ich es eben weiß“, sagte er in einem Ton wie ein bockiger Dreijähriger. „Ich kenne schließlich meinen Körper.“ Oh ja. Den kannte ich auch.
    Als ich ihn kennen lernte, den Körper, war er braungebrannt, groß und schlank, mit langen Beinen, breiten Schultern und einem knackigen Po. Groß war er natürlich immer noch, man schrumpft ja erst richtig im Alter, nicht in dem Mittelalter, in dem wir jetzt sind.
    Aber Mannis Haut war später weiß und fahl, erging seit Jahren nicht mehr in die Sonne. Sein Hintern war schlaff und welk und steckte immer noch in Boxershorts Größe fünf. Das ging, weil er sich irgendwann entschieden hatte, seinen Bauch
über
der Hose zu tragen. Ich ging aus dem Zimmer, weil ich Brötchen holen und auf einem Weg aus der Apotheke das neue Fieberthermometer mitbringen wollte. Ich hörte ihn rufen: „Mariiiaaa, sei so lieb und bring mir Taschentücher mit, ich hab ganz schreckliche Absonderungen der Nasenschleimhaut“. Ich dachte, ich hör nicht richtig,
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