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0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht

0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht

Titel: 0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht
Autoren: Ich und die Tote ohne Gesicht
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Zweifel bestand nicht. Es waren die drei Gangster, von denen ich einen als falschen Leichenwärter kennengelernt hatte, von dem zweiten sogar den Namen wusste: Clarke Boyles genannt Fat Boy Clarke.
    Phil hatte den Überbringer des Briefes in die Portiersloge gesperrt. Es war ein etwa Sechzehnjähriger in Nietenhosen und Anorak. Schmächtig, aufgeschossen und mit wissenden Augen. Er rauchte eine von Phils spendierte Zigaretten.
    »Na, Jonny«, begrüßte ich ihn, »du wirst uns jetzt brav dahin bringen, wo der Mann wohnt, der dir den Brief übergab. Du hast verteufeltes Glück gehabt, mein Junge. Wir könnten dich glatt einsperren lassen. Ich nehme aber an, du weißt nicht, für wen du Briefträger gespielt hast. Für drei Mörder nämlich. Und Motsa ist ihr Boss.«
    »Was geht das mich an? Ich kenne nur den, der mich hierher geschickt hat. Und das auch hur vom Sehen. Und wer zahlt mir die zehn Dollar?«
    »Okay«, sagte ich und gab sie ihm. »Alles in Ordnung, Jonny?«
    »Noch nicht«, maulte der Bursche und kratzte sich hinter den Ohren.
    »Wenn sie merken, was los ist, legen sie mich um.«
    »Keine Angst. Dazu werden die drei keine Gelegenheit mehr finden.«
    Ich überlegte kurz und ging zum Telefon. Vom nächsten Polizeirevier bestellte ich zwei Cops. Zehn Minuten später waren sie da.
    Ich legitimierte mich und gab ihnen den Befehl, möglichst unsichtbar auf einen gewissen Douglas Motsa zu warten und ihn bei seinem Auftauchen festzunehmen. Ich beschrieb sein Äußeres und legte dem Portier ans Herz, der Obrigkeit zu helfen, wie es seine Pflicht als Bürger sei.
    Dass Motsa noch kommen würde, glaubte ich nicht. Die Razzia in der »Coloradö«-Bar hatte ihn gewarnt. Phil sagte genau das, was ich vermutete:
    »Motsa wird sich zu Harker nach Chicago abgesetzt haben, wo wahrscheinlich auch Jana zu finden ist.«
    Ich zuckte die Achseln.
    Phil und ich nahmen den Jungen in unsere Mitte und stiegen in meinen Wagen.
    Es ging die Second Avenue hinunter bis zur Houston Street, am Kriminalgericht mit dem Untersuchungsgefängnis vorbei, und dann kamen wir in die Slums.
    Trotz der frühen Morgenstunde waren die Straßen vollgepfropft mit Fuhrwerken, Autos, Fußgängern und Radfahrern. Ordentliche Menschen neben finsteren Typen, ein Haufen Kinder, die weltversunken mit Murmeln spielten. Frauen, die Einkaufstaschen im Arm, machten ihr Schwätzchen. Beruhigend in dem Durcheinander wirkten die ihre Reviere abschreitenden Polizisten.
    Jonny hatte es auf einmal eilig, auszusteigen. Ich zeigte für seine Hast Verständnis. Er musste allerdings noch mit bis zur Ecke Hudson und Thomas Street und uns erklären, wo der Schmächtige im Hinterhaus wohnte.
    Durch die offen stehende Toreinfahrt sahen wir das Hintergebäude. Der Hof lag voll Unrat und war mit Kindern angefüllt.
    Ein alter Mann, der auf zwei Stöcken aus der Tür gehumpelt kam antwortete auf meine Frage, wo Mister Boyles wohne: »Hier unten. Gehen Sie durch den Korridor bis zur letzten Tür. Ich glaube, er ist zu Hause.«
    Ob Boyles allein hier wohnte, wollte ich wissen. Der Alte bejahte. Allerdings kämen oft Besucher.
    »Kann man auch von einer anderen Straße in das Haus kommen?«
    »Klar. Von der James Street.«
    Hätten wir das nur früher gewusst. Jetzt blieb keine Wahl mehr. Ich bat Phil, die Tür im Auge zu behalten. Dann verschwand ich im Flur. Es roch schlecht und war fast dunkel. Ich tastete mich bis zur letzten Tür und stieß sie auf.
    Es war ein erbärmliches Loch mit ein paar Stühlen, einem zerwühlten Bett und einem Tisch. Schmutziges Geschirr häufte sich in einem Spülstein in der Ecke, auf dem Tisch lagen alte Zeitungen, der Boden war mit Zigarettenstummeln besät.
    Meine Pistole in der Hand, riss ich einen schmierigen Vorhang zur Seite - und prallte zurück. Es war eine winzige Kammer ohne Möbelstück. Auf dem Boden lag eine weibliche Gestalt. Mit dem Gesicht nach unten, die Arme verschränkt, beide Beine gewinkelt. Es war Jetta, die Freundin von Abe Telvi, die vor der Leichenhalle in Middleville Schmiere gestanden und später geredet hatte. Und deshalb musste sie sterben.
    Von den drei Gangstern war nichts zu sehen. Das Fenster stand offen. Ich beugte mich heraus und stellte fest, dass es auf einen schmalen Gang führte. Der Gang lag zwischen dem Haus, in dem ich mich befand, und dem Nebengebäude. Aus dem Lärm, der an mein Ohr drang, merkte ich, dass er auf die James Street mündete.
    Ich verfluchte unsere Unterlassungssünde, nicht vorher alle
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