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0085 - Der Feuergötze

0085 - Der Feuergötze

Titel: 0085 - Der Feuergötze
Autoren: Hans Wolf Sommer
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diese Zeit? wunderte sie sich. Sie warf einen prüfenden Blick auf ihre Armbanduhr. Neun Uhr abends durch. Wer konnte da noch kommen?
    Sie erhob sich aus ihrem Lehnsessel und ging in die Halle, um zu öffnen. Raffael, der alte Diener und gute Geist des Hauses, kam ihr jedoch zuvor. Er war bereits an der Tür und warf ihr einen strafenden Blick zu.
    »Mademoiselle, Sie sollen doch in ihrem Zustand nicht im Schloß herumlaufen«, rügte er. »Der Professor hat mich ausdrücklich angewiesen, darauf zu achten…«
    Nicole lächelte. »Schon gut, Raffael. Ich setze mich ja gleich wieder vor den Kamin, öffnen Sie erst einmal. Vielleicht kommt jemand, um mir Gesellschaft zu leisten. Pfefferminztee trinkt sich besser zu zweit.«
    Abwartend blieb sie mitten in der Halle stehen.
    Raffael hob resigniert die Schultern und ließ dann das schwere Eingangsportal aufgleiten.
    Die Tür stand noch nicht einmal einen Meter breit offen, als schlangengleich zwei Männer in die Halle schlüpften.
    Nicole stieß einen spitzen Schrei aus. Es war nicht das leicht verwegen wirkende Äußere der beiden Männer, das sie entsetzt hatte. Daran war allein die Pistole schuld, die der eine schußbereit in der Hand hielt.
    Wie sprungbereite Raubtiere standen die Fremden da. Schnelle Blicke huschten durch die Halle, nahmen in Sekundenbruchteilen die Situation auf.
    Schon kam wieder Bewegung in die beiden Eindringlinge. Der Unbewaffnete war mit einem einzigen Satz bei Raffael. Seine Faust zuckte vor, zielte nach dem Gesicht des Butlers.
    Raffael war nicht mehr der jüngste, aber er verfügte noch über recht gute Reflexe. Er schaffte es, den Kopf zur Seite zu drehen, so daß die Faust des unwillkommenen Besuchers ins Leere fuhr. Der alte Diener versuchte alles, was in seinen Kräften stand. Professor Zamorra hatte Nicole Duval in seine Obhut gegeben. Er war es ihm und ihr schuldig, seine Pflicht so gut zu erfüllen, wie er nur konnte.
    Er ballte die Fäuste und stürzte sich mit dem Mut der Verzweiflung auf den Mann, der mindestens vierzig Jahre jünger war als er. Aber er kämpfte auf verlorenem Posten. Den überlegenen Körperkräften, der Gelenkigkeit des Jüngeren hatte er nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Ein harter Schlag in die Magengrube ließ ihn taumeln. Ein zweiter Hieb, genau gegen den Kehlkopf, nahm ihm die Luft. Der dritte Schlag, der ihn über der Nasenwurzel erwischte, war nur noch Formsache.
    Schwer getroffen ging Raffael zu Boden, unfähig, sich in den nächsten Minuten wieder zu erheben.
    Nicole hatte das Ende des einseitigen Schlagabtauschs nicht abgewartet. Sofort nachdem ihr klargeworden war, daß die fremdländisch aussehenden Männer in unguter Absicht gekommen waren, hatte sie sich auf dem Absatz herumgedreht. Mit fliegenden Schritten eilte sie zu der breiten, geschwungenen Treppe, die zum ersten Stockwerk führte. Dort lag das Arbeitszimmer des Professors. Dort bewahrte er in einer Schreibtischschublade seinen Revolver auf. Wenn sie die Waffe in die Hände bekam…
    Sie war schnell wie eine gut durchtrainierte Sportlerin, hatte bereits die untersten Treppenstufen erreicht.
    »Halt!« hörte sie eine knarrende Männerstimme in ihrem Rücken. »Bleib stehen, du!«
    Nicole kümmerte sich nicht um die Aufforderung, stürmte weiter die Treppe empor.
    Ein Donnerschlag ertönte, hallte echoartig von den hohen Wänden wider. Drei Stufen vor Nicole verlor der glasierte Stein seine ebenmäßig glatte Oberfläche, zeigte plötzlich ein häßliches Krähenmuster.
    Der Kerl hatte auf sie geschossen!
    Aber es war offenbar nur ein Warnschuß gewesen, der sie nicht verletzen sollte.
    Nicole ließ sich nicht einschüchtern, rannte weiter. Zwei, drei Stufen nahm sie auf einmal, mit weiten, raumgreifenden Schritten.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie atmete keuchend.
    Noch sechs Stufen, dann hatte sie den Treppenabsatz erreicht.
    Sie hörte jetzt Schritte hinter sich, schnelle, hastende Schritte.
    Und wieder die harte Stimme, die ihr befahl, stehenzubleiben.
    Nach wie vor dachte sie nicht daran. Noch drei Stufen, eine, keine mehr. Sie war oben.
    Ohne sich umzublicken, rannte sie in den breiten Korridor hinein, an dessen Ende das Arbeitszimmer des Professors auf sie wartete.
    Der Verfolger hatte ihren anfänglichen Vorsprung fast aufgeholt. Schon hatte auch er die Treppe hinter sich gelassen, bog um die Ecke.
    Das Atmen wurde Nicole immer schwerer. Die Erkältung, an der sie litt, hatte sie geschwächt und schnürte ihr regelrecht
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