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0084 - Das Buch der grausamen Träume

0084 - Das Buch der grausamen Träume

Titel: 0084 - Das Buch der grausamen Träume
Autoren: Jason Dark
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Leo Genn trug eine Lederjacke, deren Lammfellkragen er hochgestellt hatte. Irgendwo vor ihm funkelte ein Licht. Genn zuckte zusammen. Hatte er sein Ziel bereits erreicht?
    Er hörte auf zu rudern und starrte nach vorn. Das Wasser bewegte sich, strömte zu Kreiseln zusammen und klatschte gegen den Bug des Nachens.
    Das Boot schaukelte auf und ab, trieb langsam weiter. Leo Genn beobachtete das Licht. Es schwankte hin und her. Also war es keine Beleuchtung einer Hütte oder einer Behausung. Ein Irrlicht vielleicht.
    Irrlichter fand man oft in Sümpfen, und der Volksmund sagte, daß dies die Seelen der Toten waren, die des Nachts keine Ruhe fanden und umhergeisterten.
    Unheimlich war es schon, so allein mitten im Sumpf. Dann wieder der Schrei des Käuzchens. Diesmal jedoch in unmittelbarer Nähe. Leo Genn bekam eine Gänsehaut. Er hörte Flügel schlagen hinter sich, duckte sich und kreiselte herum. Plötzlich war der Kauz da.
    Haarscharf flog er über den Kopf des Mannes hinweg. So nah, daß Leo Genn noch den Flügelschlag spürte. Genn schlug mit der Hand nach dem Vogel, verfehlte ihn jedoch, und mit einem höhnisch klingenden Laut verschwand der Kauz in der Dunkelheit.
    Weshalb hatte der Vogel ihn angegriffen? Daß es ein Angriff war, daran gab es für Leo Genn keinerlei Zweifel. War der Vogel vielleicht ein Wächter, ein Hüter des Geheimnisses?
    Der einsame Mann spielte mit dem Gedanken, umzukehren. Doch dann sagte er sich, daß eine Umkehr einer Flucht gleichkäme.
    Nein, er wollte das Buch unbedingt besitzen. Er fuhr weiter.
    Tauchte immer wieder die Stange in das trübe Wasser ein. Der Fluß beschrieb einen Bogen.
    Jetzt war es nicht mehr weit, denn in der Mitte des Bogens lag die Hütte des alten McKenzie.
    Leo Genn orientierte sich mehr zum rechten Ufer hin. Es kümmerte ihn nicht mehr, daß die Zweige weit über das Wasser wuchsen und ihn behinderten.
    Leo Genn kniete sich in sein Boot und zog den Kopf ein. Von der Strömung wurde der Nachen dem Ufer entgegengetrieben, fast bis vor das Haus. Genn hob seinen rechten Arm, nachdem er die Ruderstange ins Boot gelegt hatte, und griff nach einem herabhängenden Ast, an dem er sich weiter vorhangelte. Schon schleifte der Bug über den Schlamm. Es knirschte, da kleinere Steine über das Holz schrubbten; ein Ruck, und der Nachen lag fest. Ein Tau lag bereit.
    Leo Genn wickelte es auf und band es um einen starken Ast, nachdem er das andere Ende durch eine Öse am Bug gezogen hatte. Jetzt konnte der Nachen nicht mehr wegtreiben. Leo Genn beging nicht den Fehler und stieg sofort aus, sondern er blieb erst einmal im Boot sitzen.
    Er lauschte konzentriert. Doch fremde Geräusche hörte er nicht. Aber er spürte sein Herz überlaut schlagen; ein Zeichen dafür, wie nervös er war.
    Die Taschenlampe hing am Gürtel. Genn löste sie von dem Karabinerhaken, nahm sie in die rechte Hand, hielt sich mit der linken an einem biegsamen Ast fest und verließ sein Boot. Es klatschte, als er mit beiden Stiefeln in den Ufersand einsank. Das Wasser schwappte sogar noch über die Ränder und rann in die Stiefel hinein. Leo Genn stieg ans Ufer.
    Als er auf dem Trockenen stand, warf er einen Blick nach links, und er glaubte, die Konturen des Pfahlbaus zu erkennen, in dem McKenzie wohnte. Das Ziel war nah.
    Tief atmete Leo Genn durch. Seine Stirn war schweißfeucht, trotz der nächtlichen Kühle. Aber das war die Folge der Aufregung, die ihn zwangsläufig erfaßt hatte. Schließlich hatte er lange genug gesucht und geforscht. Jetzt endlich befand er sich am Ziel seiner Wünsche. Er wußte aber auch, daß es gefährlich war, sich um das Buch zu kümmern.
    Doch ein Zurück gab es nicht. Nicht für ihn!
    Ein paar Zweige streiften sein Gesicht und ließen eine nasse Spur zurück. Leo Genn wischte mit dem Handrücken über die Haut. Er merkte, daß er nervös war. Das ärgerte ihn. Nervosität durfte er nicht zeigen, denn dann konnte der ganze Plan mißlingen.
    Das Buch war wichtig.
    Wenn er es besaß, dann hatte er auch die Macht. Sogar über einen Teil der Hölle.
    Allein der Gedanke daran trieb ihm einen Schauder über den Rücken. Er würde jede Zeile, jedes Wort und jeden Buchstaben lesen und regelrecht in sich aufsaugen. Leo Genn schritt weiter.
    Seine Füße patschten durch das Wasser. In der Nähe des Ufers war der Boden schwammig. Er federte nach und verbarg zahlreiche Fallen wie Wasserlöcher und kleinere Tümpel, die von einer trügerischen Grasschicht bedeckt waren. Man mußte
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