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008 - Hexenbalg

008 - Hexenbalg

Titel: 008 - Hexenbalg
Autoren: Gimone Hall
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geführt. Schwere Vorhänge und dicke Teppiche verschluckten jedes Geräusch, so dass Beth erschrocken zusammenzuckte, als Linda Hillburton sie ansprach.
    »Ach, Sie sind das also?«
    »Ja, ich bin Beth Mitchell«, sagte sie. Schweigend standen die beiden sich gegenüber. Beth war damit so beschäftigt, ihren Eindruck zu verarbeiten, dass sie die Stille nicht peinlich empfand. Linda war barfuss. Ihre Jeans waren einmal weiß gewesen, dazu trug sie ein grünweiß gestreiftes, total aus der Form geratenes Polohemd. Das lockige braune Haar schien ungekämmt.
    Aber all das vermochte nicht Lindas Schönheit zu beeinträchtigen. Sie war klein und zierlich von Figur. Große graue Augen beherrschten das herzförmige Katzengesicht.
    »Wir können uns im Gewächshaus weiter unterhalten«, sagte das Mädchen und ging voraus. Wenn Beth sich nun erhofft hatte, dort Tee angeboten zu erhalten, wurde sie gründlich enttäuscht. Linda hockte sich zwischen Kisten mit Setzlingen, Blumentöpfen und Gartengeräten auf den Betonboden.
    »Sie können sich dorthin setzen.« Linda deutete auf eine umgestürzte Kiste. Beth wischte die Fläche ab und setzte sich. Nun ja, es war immerhin besser als der kalte Boden.
    Linda stocherte in einem Blumentopf, drehte ihn um und klopfte auf den Boden des Gefäßes, so dass der Inhalt herausrieselte und Erdklümpchen zerstoben.
    »Das ist ein Papaya-Setzling«, sagte sie. »Papaya enthält mehr Vitamin C als Orangen. In Ramons Heimat leidet fast alles an Vitaminmangel. Und ich versuche jetzt, die Sorte hier mit der da drüben zu kreuzen. Die da ist süßer, die andere widerstandsfähiger. Haben Sie Ramon schon kennen gelernt?«
    »So … irgendwie«, sagte Beth.
    »Eines lassen Sie sich gesagt sein: Egal, was die anderen behaupten – es wird keine Hochzeit geben.«
    »So? Ja, wenn Sie Ihre Verlobung gelöst haben, brauche ich nicht weiter …«
    »Heirat ja – Hochzeit nein! Ramon und ich werden ein Paar, aber diesen Zirkus mit alldem Theater, den meine Familie inszenieren will – keine Rede davon. Und damit sind auch Sie überflüssig. Sie können entwerfen, bis Ihnen nichts mehr einfällt. Mir wird nichts gefallen.« Sie warf die Haare zurück und strich sich mit der schmutzigen Hand über die Stirn. »Die sind doch glatt imstande und lassen den Hochzeitsmarsch aus Lohengrin von einer Jahrmarktorgel spielen.«
    »Warum laufen Sie mit Ramon nicht davon?« Beth konnte diese Frage nicht unterdrücken. Ihr war ein Licht aufgegangen, warum Linda zu den schwierigsten Kundinnen zählte. Andererseits war ihr Interesse nun erst recht geweckt.
    »Machen wir vielleicht ohnehin. Aber ich bin ein wenig altmodisch. Ich möchte den Segen meiner Mutter zur Hochzeit.« Linda starrte stirnrunzelnd in einen Blumentopf, und Beth dachte schon, das Thema sei erledigt. Stattdessen fuhr Linda lächelnd fort: »Ich glaube, ich werde Sie richtig fertigmachen müssen. Das lernen wir reichen, verzogenen Töchter sehr früh.«
    »Aber irgend etwas müssen Sie anziehen. Geben Sie mir eine Andeutung, und ich werde mich daran halten«, schlug Beth vor.
    Linda verzog das Gesicht. »Wie wär’s mit einer Kluft zum Latrinenbauen oder Feldbestellen? Ich war mit dem Friedenskorps zwei Jahre lang in Ramons Heimat. Ja, jetzt machen Sie große Augen, Miss Mitchell.«
    Linda stützte das Kinn in die Hand. Die regenwolkengrauen Augen waren unverwandt auf Beth gerichtet. Etwas raubtierhaftes lag in ihren Zügen.
    Aber das war vielleicht nur der erste Eindruck.
    Bei näherem Hinsehen aber sah Beth nur ein Mitglied der jüngeren, idealistischen Generation vor sich, welches sie, als die Ältere, mit der uralten Entdeckung schockieren wollte, dass auf der Welt nicht alles in Ordnung wäre. Der klassische Generationenkonflikt. Dabei lagen zwischen ihnen nicht mehr als zehn Jahre. Und Beth entdeckte mit Leichtigkeit eine Brücke.
    »Ach, was für ein hübsches Armband Sie haben«, sagte sie und deutete auf ein Kettchen aus unregelmäßigen elfenbeinfarbigen Kügelchen an Lindas Handgelenk.
    »So?« Linda streifte es ab und reichte es ihr. »Es gehört Ihnen! Es sind Samenkörner. Ich habe den Namen vergessen.«
    Diese Geste überraschte Beth. »Nein, das kann ich nicht annehmen.«
    »Warum nicht? Ich schenke gern. Nicht Dinge, die Geld kosten, sondern Dinge, die etwas bedeuten.« Das Kettchen fiel Beth in den Schoß. »Außerdem«, fuhr Linda fort, »ist es das mindeste, das ich für Sie tun kann. Denn ich werde mich für Sie zu einer wahren
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