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008 - Der schlafende König

008 - Der schlafende König

Titel: 008 - Der schlafende König
Autoren: Ronald M. Hahn
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Balance. Ehe er einen klaren Gedanken fassen konnte, stellte er fest, dass er mit seinem Näsli im Dreck lag. Das Tor lag zu seiner großen Überraschung hinter ihm. Ebenso wie die riesige, finstere, unheildrohende Gestalt eines Broglianers, der wohl eine Runde um das Tempelgelände gemacht hatte und den Wächtern im Innenhof nun mit einem Pfiff verkündete, dass er wieder da war.
    Von großer Verblüffung und Angst übermannt, drückte Sepp sich an den Kies des Bodens und erkannte, dass er aufgrund seiner schlanken Gestalt zwischen den Torgitterstäben hindurch gefallen war.
    Sterneföifi! dachte er.
    Er hatte wohl etwas laut gedacht, denn zu seinem großen Schrecken nahm der Wächter vor dem Tor seine Patrouille nicht wieder auf, sondern duckte sich und fragte: »Ischt da wer?« In seiner Verwirrung hätte Sepp dem Fragenden beinahe einen abschlägigen Bescheid erteilt, doch im letzten Moment schob er sich die rechte Faust in den Mund und erstickte damit seine Stimme.
    Der argwöhnische Wächter trat grunzend näher. Sepp drückte sich auf den Boden. Er verschmolz praktisch mit dem Kies und dem sprießenden Unkraut. Dann hörte er den Wächter noch näher ans Tor treten und etwas vor sich hin brummein.
    Sepps Herz schlug wie rasend. Er war überzeugt, dass der metallbekleidete Riese es hören konnte. Als er sich dann in seiner ganzen furchtbaren Größe über die Lanzenspitzen des Tors beugte, kam Sepp eine Idee, die er auf der Stelle in die Tat umsetzte: Er stieß das Röcheln eines geilen Fleggenmännchens aus, denn darin war er, wie ganz Züri und besonders die Gäste der Destillen in der Umgebung Zeugnis ablegen konnten, einfach top. Fleggen waren fliegenartige Wesen, schwarz, pelzig und groß wie ein Kürbis. Sie legten ihre Eier gern in noch lebendem Fleisch ab, damit es ihrer Brut später als Nahrung diente. Normalerweise brummten sie nur, aber wenn sie in Hitze gerieten, stießen sie Geräusche aus, die jedermann kannte.
    Sepps Röcheln schien den Wächter zu befriedigen, denn er grunzte noch einmal, rotzte über das Tor (und auf Sepps schwarze Spionmaske) und trollte sich, um seine Runde um den Tempel des schlafenden Königs wieder aufzunehmen.
    Sepp atmete auf. Er blieb noch ein Minütli liegen. Als die Schritte sich entfernt hatten, richtete er sich auf und huschte lautlos wie eine sieben Tage alte Taratze über den Innenhof. Er gab sich dabei alle Mühe, nicht in den Bereich der Marmortreppe zu gelangen, an der die beiden Wächter, die er zuerst gesehen hatte, ihrer Aufgabe nachgingen.
    Er pirschte auf Samtpfoten durch einen Gebüschwald und umrundete den Tempel, bis er eine Hintertür fand, die zu seinem Pech leider verschlossen war. Ein paar Schritte weiter hatte er jedoch Glück, denn er stieß auf ein Fenster, das man zu schließen vergessen hatten. Sepp schaute sich rasch um, dann fiel sein Blick auf ein am Boden liegendes leeres Fass, das er mit einem stummen Ächzen (schließlich wollte er sich nicht verraten) unter das Fenster stellte. Sekunden später hatte er es erklommen und seines Auges Blick spähte in einen luxuriösen, mit ledernem Mobiliar ausgestatteten Raum. Er schlängelte sich über das Fensterbrett und hangelte sich zu Boden.
    Keine Sekunde zu spät, wie sich gleich darauf erwies, denn kaum war er hinter einem gewaltigen Sessel in Deckung gegangen, öffnete sich eine Tür und drei in braune Kutten und Kapuzen gehüllte Broglianerordensbrüder betraten den Raum. Sie nahmen in den Ledersesseln Platz und räusperten sich mehrmals. Sepp .richtete seine Spitzohren auf und lauschte.
    »Hrrrumph«, sagte der erste Broglianer.
    »Hrrrumph«, sagte der zweite.
    »Hrrrumph«, schloss sich der dritte an.
    Es war wirklich wahnsinnig interessant, was Spione von Sepps Kaliber bei ihrer geheimdienstlichen Tätigkeit so alles erfuhren.
    »Hauptmann Bluntschli müsste mit seinem Kommando längst wieder hier sein«, fuhr der erste fort.
    »Allmählich mache ich mir wirklich Sorgen«, sagte der zweite.
    »Ich glaube fast, die Expedition durch die Steppe war ein Fiasko«, meinte der dritte.
    Sepp, der hinter dem Sessel des dritten Broglianers hockte und sich bemühte, die Lautstärke seines Herzschlages zu dämpfen, fragte sich, was ein Fiasko war, denn dieses Wort hatte er noch nie gehört.
    »Dabei brauchen wir das Blei, das sie kaufen sollen, doch so dringend, um neue Patronen zu gießen«, sagte der erste.
    Sepp hatte auch keine Ahnung, was Patronen waren, aber im Zusammenhang mit gießen nahm er
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