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0079 - Wir hetzten den Kobalt-Boß

0079 - Wir hetzten den Kobalt-Boß

Titel: 0079 - Wir hetzten den Kobalt-Boß
Autoren: Wir hetzten den Kobalt-Boß
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bestanden aus unordentlich zusammengeworfenen Decken. Aber die Schmuggler trugen ausnahmslos neue Anzüge, Ringe und goldene Armbanduhren.
    Die erste Nacht wurde im Goldenen Anker gefeiert. Wie üblich mußte ich meinen Einstand geben, was nicht ausschloß, daß sich meine Kumpels genauso spendabel zeigten. Je mehr sie sich vollpumpten, desto gesprächiger wurden sie. Sie schimpften zwar auf Shorty, den Zwerg, hatten aber doch Respekt vor ihm. Tom the Mex schien in diesem Lager nicht viel zu gelten.
    Was sich um den runden Ecktisch versammelt hatte, war ein wildes Gemisch von Typen. Innerlich frohlockte ich. Meine Gedächtnistabelle mit den Mitgliedern der Tom-the-Mex-Gang — hier Shorty-Gang genannt — hatte sich um sechs weitere Namen bereichert.
    Da gab es einen Alaska-Kid, einen bärtigen Herkules, der nur aus der Flasche trank; einen Chinesen, den sie einfach Schlitzauge nannten, einen Pontius Pilatus, einen freundlichen älteren Ganoven mit soviel Wärme wie ein Henkerstrick. Die Spaßvögel in der Runde erklärten mir, er könnte trotz seines dauernden Lächelns noch im Hochsommer Eiszapfen spucken.
    Der vierte meiner neuen »Kollegen« wurde Umberto mit den drei Fingern genannt, ein gebürtiger Italiener, dem an der rechten Hand zwei Finger abgeschossen worden waren; der fünfte hieß kurz und bündig Boxer, ein Mordskerl mit Sattelnase und Blumenkohlohren, was seinen früheren Beruf ohnehin verriet. Der sechste und letzte in der Runde hieß Rapus der Finne, ein Schrank mit Gorillafäusten.
    Alle besaßen Papiere, die sie als Binnenseeschiffer auswiesen. Und alle Papiere stammten von Tom the Mex, wie ich erfuhr, der einen tüchtigen Paßfälscher an der Hand haben mußte. Mehr oder weniger gut bedienten sie sich der englischen Sprache. Es war eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft; aber eines war mir bald klar: Mit ihnen anzubändeln, schien wenig aussichtsreich. Zwar bemerkte ich bei keinem eine Schußwaffe, dennoch mußten sie welche besitzen, vermutlich hatten sie sie versteckt.
    Sie wollten mich mit Alkohol einseifen, damit ich mehr von mir erzählen sollte; ihr Versuch scheiterte. Wohl gab ich jedesmal Bescheid, aber im geeigneten Augenblick verwechselte ich die Gläser oder kippte mein volles Glas unter den Tisch. Trotzdem mußte ich eine Menge trinken.
    Pontius Pilatus meinte: »Du scheinst ja’ne güte Portion zu vertragen, Boy!«
    »Ja«, erwiderte ich ernsthaft. »Mein Onkel Terry — bei einer Razzia legten ihn die Cops um — war ein toller Zecher, und er hat mir seine Fähigkeit vererbt. Das ist sozusagen sein testamentarisches Vermächtnis, dessen ich mich würdig erweisen muß.«
    »Du weißt deine Worte sehr gut zu wählen«, sagte er. »Ich höre dir gern zu. Einer, der wie du mit dem Bauch voll Sprit noch so fein reden kann, ist ein Kerl, wie er sein soll. Die anderen da quatschen bereits dummes Zeug, und paß mal auf, es wird gar nicht mehr lange dauern, dann fangen sie Streit miteinander an und prügeln sich.«
    Seine kalten Augen verschwanden hinter zwei Schlitzen.
    »Aber du und ich, Boy… Wie heißt du doch gleich?«
    »Robby Smith.«
    »Robby genügt. Also, wir beide können trinken wie Gentleman, und wir haben auch das Köpfchen dazu.« Seine Lippen berührten fast mein linkes Ohr. »Wir beide können noch viel mehr, wenn wir Zusammenhalten: dem Ring Tom the Mex — Shorty eins auswischen, ein richtiges K. o. Was hältst du davon?«
    Natürlich war das eine plumpe Falle. »Ich wurde von Tom the Mex angeheuert«, sagte ich mit gespielter Empörung, »bekam von ihm Handgeld, demnach gehört es sich so, für ihn zu arbeiten. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage.« Damit hatte Pontius Pilatus das Interesse an einer weiteren Unterhaltung mit mir verloren.
    Wie ich im Verlauf des nächtlichen Gelages im Goldenen Anker noch weiter erfuhr, wurde nicht nur Kobalt von Kanada nach den Staaten geschmuggelt, sondern auch andere Dinge, die sich lohnten. Aber das Kobalt-Geschäft warf am meisten ab.
    Leider konnte ich nicht herausbringen, woher das Kobalt stammte. Nur soviel: Wenn es soweit war, kamen schon vorher Lastwagen in den Hof der Mercuria Limited gefahren und wurden auf Lkw, der Mercuria Limited gehörten, umgeladen. Diese schafften die Säcke zum Hafen, Leute des Gangsterringes trugen sie in die Boote, wo sie ordnungsgemäß von Zollbeamten abgefertigt wurden. Die Zollpapiere gaben den Namen des Exportplatzes an und des Empfängers — sagen wir mal: eine Metallgießerei in
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