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0072 - Die Ruine des Hexers

0072 - Die Ruine des Hexers

Titel: 0072 - Die Ruine des Hexers
Autoren: Walter Appel
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Männer senkten betreten die Köpfe. Zamorra und Nicole standen unten an der Straße. Der Professor schaute noch einmal hoch zu der Stelle, wo die unheimliche Ruine gestanden haben mußte.
    Es war ein Blick, mit dem er Maß nahm. Er führte schon etwas im Schilde. Schwarz und verlassen lag der Weinberg da. Grillen zirpten zum Ufer der Mayenne hin, aber in jenem Teil des Weinbergs, wo Nadine Suchard gestorben war, herrschte Stille.
    Die ersten Wagen fuhren los. Die Menschen kehrten nach Angers und zu dem in der Nähe liegenden Dorf zurück. Die Kriminalbeamten und Polizisten hatten die Scheinwerfer abgebaut, die Kabel zusammengerollt und verstauten nun alles im Kleinbus.
    »Wir fahren zum Schloß zurück«, sagte Zamorra zu Nicole.
    ***
    Am späten Abend redete Zamorra mit der Baronesse über das Wirken und die Hinrichtung des Hexers Romain Rolland. Anne de Gascoyne wußte nicht viel. Die große Französische Revolution überschattete die Vorkommnisse in jener Zeit. Damals waren auch die Aufzeichnungen im Stadtarchiv von Angers verlorengegangen.
    Und auch die mündlichen Überlieferungen vom Hexer Romain Rolland hatte die große Revolution getilgt. Die Nachkommen sahen fasziniert auf die Revolutionswirren und hatten kein Interesse mehr an den Geschehnissen der vorhergehenden Jahre gezeigt.
    Zamorra ließ die Baronesse, die sehr mitgenommen und in einer schlechten nervlichen Verfassung war, in ihren Räumen allein. Er suchte den Salon auf, in dem sich bei den übrigen Hausgästen auch Nicole befand. Verwandte und Freunde der Familie de Gascoyne waren schon eingetroffen, und es wurden noch weit mehr erwartet.
    Das Schloß würde voll sein.
    Nicole kam sich in dem mit operettenhafter Eleganz eingerichteten Salon vor, als habe sie sich in einen Adelskalender verwirrt. Die Menschen, auch die Jüngeren, redeten sich mit Comtesse, Comte, Baronesse und Baron an. Oder mit Kosenamen wie Augie und Marnie, so daß Nicole gar nicht mehr klarkam.
    Nicole verging die Lust völlig, als ein blasser junger Mann, mit dem sie unverbindlich geflirtet hatte, sie nach ihrer Familie und deren Rang fragte.
    Zamorra trat zu ihr, und sogleich erschien Paul de Gascoyne, der sich ebenfalls im Salon befand und nur auf den Professor gewartet hatte. Er begann, ihm heftige Vorwürfe zu machen, weil er die Baronesse noch in ihrem Aberglauben unterstützte.
    »Mit Ihnen rede ich erst wieder, wenn Sie Ihre Scheuklappen ablegen und aufhören, sich dauernd in Pose zu stellen wie ein Hahn beim Krähen«, antwortete ihm der Professor gelassen und ließ ihn stehen.
    Nicole folgte ihm aus dem vom strahlenden Lüster erleuchteten Salon. Draußen atmete sie auf.
    »Puh, was für eine Gesellschaft. Ich glaube, diese Leute sind alle noch aus dem vorigen Jahrhundert übrig geblieben.«
    Zamorra ging mit Nicole zu den Gästezimmern. Sie folgte ihm auf sein Zimmer, setzte sich und nahm ein Glas Wein, das Zamorra ihr einschenkte. Auch die Gästezimmer waren im traditionellen Stil einer Adelsfamilie gehalten. Aber es gab immerhin einen Kühlschrank, der gut bestückt war.
    Zamorra zog die Stores auseinander und schaute durch das geschlossene Fenster über den Schloßhof und den See, in dem sich der Mond spiegelte. Nicole trug ein ausgeschnittenes, dunkles Kleid, das reizvoll den Ansatz ihrer Brüste zeigte.
    Zamorra wandte ihr den Rücken zu.
    »Irgendwo da draußen werden die Kräfte des Bösen schon bald wieder zuschlagen«, sagte er, »wenn wir nicht schleunigst etwas unternehmen. Wir haben heute eine Menge erfahren.«
    »Das kann ich nicht finden. Ich stehe immer noch vor einem Rätsel.«
    Zamorra lachte leise.
    »Was wir in dieser Zeit erfahren konnten, jetzt, in der Gegenwart, das haben wir in Erfahrung gebracht. Den Rest können wir nur in der Vergangenheit herausfinden.«
    Nicole machte große, runde Augen.
    »In der Vergangenheit?«
    »Jawohl. 1776, in dem Jahr, in dem der Hexer Romain Rolland hingerichtet wurde und sich diese seltsamen Todesfälle ereigneten. Als der Baron Robert De Gascoyne und bestimmt auch die Schwestern Jeanne und Anette Lesanque ums Leben kamen, von übernatürlichen Gewalten erschlagen.«
    »Zamorra, wie sollen wir in diese Zeit kommen?«
    »Du hast gesehen, was heute auf der Lichtung im Wald geschah. An den Plätzen, wo die schwarze Kapelle stand, ist noch eine Restenergie vorhanden, ein Überbleibsel von einer übernatürlichen, dä- monischen Kraft. Mein Amulett hat jene auf der Lichtung vernichtet. Aber ich bin davon überzeugt,
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