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005 - Tagebuch des Grauens

005 - Tagebuch des Grauens

Titel: 005 - Tagebuch des Grauens
Autoren: D.H. Keller
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gefährlich werden.
    Aber ist er nicht auch so schon zur Ohnmacht verdammt? Es kostet mich Mühe, den toten Michel nicht am Hals zu packen, um das nachzuholen, was ich vorhatte, als ich in der vorigen Nacht in dieses Haus gekommen war.
    Ich hätte es damals schon tun sollen, sofort als ich die Aufzeichnungen von Suzanne gelesen hatte.
    Was war das? Hat er sich nicht soeben bewegt? Es schien wahrhaftig so, als hätte er die Lippen verzogen. Nein, es ist nur der Kerzenschein, dessen tanzende Schatten diesen Eindruck hervorgerufen haben.
    Michel ist tot. Ich habe ihn getötet. Wie einfach es doch ist, jemanden zu ermorden!
     

     

Die Uhr im Parterre hat drei geschlagen. Stehe ich wirklich schon so lange hier an Michels Lager und betrachte ihn? Mir scheint, dass erst wenige Minuten vergangen sind, seit ich das Haus betreten habe. Die alte Frau schläft noch immer. Wenn man Tote bewachen muss, wird man wohl schläfrig.
    Diesmal erkenne ich, dass es keine Sinnestäuschung ist. Die zweite Hand hat sich von der ersten gelöst und kommt auf dem Fußboden auf mich zu gekrochen.
    Langsam weiche ich zurück. Jetzt habe ich die Tür erreicht. Die Hand kommt mir nach. Wie eine Spinne bewegt sie sich auf den gekrümmten Fingern vorwärts.
    Unglücklicherweise habe ich keine Waffe. Mit dem größten Vergnügen würde ich sie noch einmal mit einem Messerstich an die Dielen heften.
    Diesmal würde es mir vielleicht gelingen, sie endgültig loszuwerden. Ich werde versuchen, sie in eine Falle zu locken.
    Ein Messer. Ich weiß, wo ich eines finden kann.
    Wenn ich nun diese Hand bis in die Küche locken könnte?
    Warum nicht? Das müsste doch eigentlich gelingen.
    Langsam begebe ich mich in den Gang hinaus. Hier ist es dunkel. Ich knipse das Licht an und gehe weiter. Dabei spüre ich, dass die Hand mir folgt. Ich brauche mich gar nicht umzusehen, um mich davon zu überzeugen.
    Ich spüre es ganz deutlich. Ich höre sie geradezu.
    Langsam gehe ich die Treppe hinunter. Dabei achte ich darauf, nicht zu schnell zu gehen.
    In der Küche ist es eiskalt. Kein Feuer brennt im Kamin. Ich gehe zum Küchenschrank und öffne ein Fach. Das Messer, das ich vor mir sehe, ist genau das, was ich brauche.
    Ich umschließe seinen Griff fest mit den Fingern. Dann sehe ich mich um. Ja, da ist die Geisterhand, direkt hinter mir.
    Sie scheint mich zu beobachten. Die Finger strecken sich in der Richtung, in der sich mein Gesicht befindet, so als wollten sie mir meine Absichten von den Augen ablesen.
    Und wenn ich sie jetzt einfach mit einem Fußtritt zermalmen würde?
    Ich versuche es, doch meine Fußsohle trifft nur den Boden. Die Hand hat sich mit einer raschen Bewegung in Sicherheit gebracht.
    Nein, es gibt keine andere Möglichkeit, als mit dem Messer auf sie loszugehen. Damit ist es mir ja schon einmal gelungen, ihr beizukommen.
    Vor allem darf ich nicht die Nerven verlieren, das ist die Hauptsache.
    Die Hand kommt auf meinen rechten Fuß zu gekrochen. Ich lasse sie ruhig näher kommen. Die Finger krümmen sich, strecken sich aus, krümmen sich und nähern sich immer mehr.
    Ich warte. Erst muss sie an der richtigen Stelle angekommen sein.
    Nur noch wenige Zentimeter. Jetzt! Ich fahre mit dem Messer auf die Hand hinab.
    Die Klinge steckt tief im Holz. Sie hat die Hand mittendurch aufgespießt.
    Ein Stöhnen ist in der Küche zu hören, ein seltsames Stöhnen der Qual.
    Die Hand verschwindet. Jetzt sehe ich sie nicht mehr.
    Dort, wo das Messer steckt, ist der Boden ein wenig feucht, als seien ein paar Wassertropfen an der Klinge hinab gelaufen.
    Ich reiße das Messer aus dem Holz.
    Dann werfe ich es in das Schubfach zurück und gehe ins Schlafzimmer hinauf. Ich ahne, was dort geschehen ist.
    Richtig! Michels Hand weist jetzt deutlich zwei Verletzungen auf. Neben der alten Wunde sehe ich einen tiefen Stich, aus dem kein Blut ausgetreten ist.
    Michels Züge scheinen jetzt stärker verzerrt zu sein als zuvor.
    Nun werde ich gehen und Michel der alten Frau überlassen, die keine Ahnung hat, was geschehen ist.
     

     
    Ich kehre nach Hause zurück. Meine Gedanken sind wirr. Ich suche nach Erklärungen für die Geschehnisse der letzten Tage, aber ich finde keine.
    Was ist das dort für ein Schatten? Er geht immer vor mir her. Ist es vielleicht mein eigener? Nein, ausgeschlossen. Es steht kein Mond am Himmel, also kann ich auch keinen Schatten werfen.
    Was ist aber dann dieser dunkle Fleck, diese undeutliche Gestalt, die vor mir hergeht?
    Ich bleibe stehen. Und
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