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0043 - Die Geister-Lady

0043 - Die Geister-Lady

Titel: 0043 - Die Geister-Lady
Autoren: A.F. Morland
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schaute ihren Mann verwirrt an. »Was hast du mit mir vor?«
    »Du wirst es sehen!«
    »Du hast die Absicht, mich umzubringen?«
    »Du wirst es sehen! Zieh dich an.« Plotkin hatte der jungen Frau das weiße Kleid zugeworfen. Mechanisch schlüpfte sie hinein. Eine unsagbare Angst schnürte ihr die Kehle zu. Vielleicht wäre ihr wohler gewesen, wenn sie geweint hätte, aber irgendetwas in ihr ließ es nicht zu, dass Tränen in ihre Augen stiegen. Gott, wie hasse ich diesen Mann! hämmerte es immerzu in ihrem Kopf. Wie konnte ich nur seine Frau werden? Wie war das möglich? Und sie erinnerte sich an die Zeit, wo Plotkin ihr den Hof gemacht hatte. Ein Kavalier war er damals gewesen. Aufmerksam und hilfsbereit. Heute glaubte sie, dass er sich bloß verstellt hatte, denn bald nach der Hochzeit hatte ihr Martyrium begonnen, und es hatte bis zum heutigen Tag kein Ende genommen. Wenn er sie umbringen wollte, dann sollte er es tun. Sie hing nicht an diesem Leben. Jeder Hund hatte es besser als sie. Der wurde zwar auch getreten, doch hin und wieder wurde er auch gestreichelt.
    Als sie angekleidet war, befahl der Fürst ihr, mit ihm zu gehen. Sie verließen das kleine Häuschen des Gärtners. Anja warf einen letzten Blick auf ihren ermordeten Geliebten, und ihr Herz krampfte sich zusammen.
    Im nächsten Monat hatte sie Geburtstag. In einer Wodkalaune hatte der Fürst seine Frau gefragt, ob sie einen Geburtstagswunsch hätte, und sie hatte geantwortet: »Ja. Ich hätte schon einen Wunsch, Micha.«
    »Welchen?«, hatte der betrunkene Fürst gefragt. »Etwa, dass ich mich an deinem Geburtstag zu dir ins Bett lege? Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Ich kann dir nichts zum Geschenk machen, was unmöglich ist.«
    Gedemütigt hatte die junge Frau den Kopf gesenkt und gesagt:
    »Ich hätte einen Wunsch, den du sehr leicht erfüllen könntest.«
    »Dann lasse hören.«
    »Wir brauchen ein neues Tor. Lass Handwerker kommen. Sie sollen zwei Torpfeiler errichten und zwei Türen aus kunstvollem Schmiedeeisen daran befestigen.«
    Daraufhin hatte der Fürst gönnerhaft genickt und gemeint, Anja würde ihr Wunsch erfüllt werden. Mittlerweile war der linke Torpfeiler errichtet worden, und noch in dieser Woche sollte der rechte Pfeiler vollendet werden.
    Hoch am Himmel stand ein buttergelber Mond. Er sandte sein kaltes Licht auf die Weite Sibiriens hinab. Sobald sie aus dem Haus des Gärtners getreten waren, blieb Anja stehen. Sie schaute ihren Mann fragend an und wollte wissen, wohin er sie zu bringen gedachte.
    Er grinste diabolisch. Der Dolch, mit dem er Andrej das Leben genommen hatte, steckte wieder in seinem Gürtel. Für einen Moment hatte Anja Plotkinowa die Absicht, ihm den Dolch aus dem Gürtel zu reißen und ihn damit zu töten, aber sie wäre bestimmt nicht schnell genug gewesen. Plotkin hätte sie am Arm gepackt und diesen herumgedreht, bis er brach und der Dolch zu Boden fiel. Sie konnte nicht schneller sein als er. Und sie war nicht einmal halb so kräftig wie er. Deshalb verwarf sie diesen Gedanken wieder.
    »Wir sehen uns das Tor an«, sagte der Fürst mit einem gefährlichen Funkeln in den kalten Augen.
    Anja schauderte. »Jetzt? Mitten in der Nacht?«
    »Warum nicht?«
    »Was soll das, Micha? Sag mir, welche Gemeinheit du vorhast?«
    »Interessiert es dich denn gar nicht, wie weit die Arbeiten an deinem Tor gediehen sind?«
    »Ich war erst gestern da.«
    »Inzwischen waren die Handwerker sehr fleißig«, sagte der Fürst, und als Anja nicht mit ihm gehen wollte, ergriff er ihren Arm, dass es sie schmerzte, und schleppte sie mit sich durch die unwirtliche Nacht.
    Düstere Nebelschwaden tanzten hinter wild wuchernden Büschen hervor. Irgendwo im Gezweig einer uralten Eiche klagte ein Totenvogel. Wind kam auf. Er brachte Kälte. Anja Plotkinowa zitterte. Die Gänsehaut, die ihren jungen Körper umspannte, kam aber nicht von den niedrigen Temperaturen, sondern von der schrecklichen Angst, die sich allmählich tief in ihre Knochen schlich. Sie fürchtete nicht den Tod selbst, denn dieser würde sie mit Andrej Igorow wiedervereinen. Sie fürchtete lediglich die unbekannte Art, auf die sie aus dem kaum lebenswert gewesenen Leben scheiden sollte.
    Nach hundert Metern standen sie da, wo das Tor errichtet werden sollte. Die schmiedeeisernen Türen fehlten noch. Plotkin wies auf den rechten Pfeiler.
    »Ich werde dich nicht töten, mein Täubchen, aber du wirst trotzdem sterben!«
    Anja glaubte zu erraten, was der Fürst mit ihr
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