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003 - Im Kabinett des Grauens

003 - Im Kabinett des Grauens

Titel: 003 - Im Kabinett des Grauens
Autoren: Larry Brent
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das mag schon sein«, erwiderte der Alte beinahe gelangweilt. Er rückte die
randlose Brille auf seiner Nase zurecht und lehnte sich in den mit dunkelrotem
Samt überzogenen Stuhl zurück.
    Tom
griff noch nach zwei besonders eindrucksvollen Ansichtskarten aus dem Kabinett.
Eine stellte die berüchtigten Toledo-Brothers dar, die Anfang der dreißiger
Jahre mehrere amerikanische Kleinstädte durch ihre Raubmorde in Angst und
Schrecken versetzt hatten. Die andere Karte bot eine recht umfangreiche
Übersicht aus dem unheimlichen Kabinett in den Gewölben des ehemaligen
Weinkellers.
    Tom
zahlte, nahm die Karten an sich und verstaute sie in seiner Brusttasche. Er gab
sich ganz als interessierter Besucher des Kabinetts. Er stieß die dunkelbraune
Tür auf. Quietschend bewegte sie sich in den angerosteten Scharnieren.
Restaurations- und Instandhaltungsarbeiten schienen hier so gut wie gar nicht
durchgeführt zu werden. Der Besitzer schien im Gegenteil Interesse daran zu
haben, das Anwesen immer mehr verfallen zu lassen. An der Decke über sich
erkannte Tom die zahlreichen nassen Flecke, die vom durchsickernden Regen
verursacht wurden. Die groben Balken, die die Decke stützten, hätten längst mit
einem neuen Anstrich versehen werden müssen. Das faulige Holz war ungeschützt
dem Zahn der Zeit ausgesetzt.
    Breite,
ausgetretene Stufen führten in die Tiefe des Kellers. Dort hatte Mr. Flemming
sein Kabinett in den geräumigen Gewölben etabliert. Der Weinkeller, der direkt
in das felsige Gestein des Berges hineingeschlagen war, bildete den unheimlichen
Hintergrund.
    Es
war kühl, es roch nach Moder. Tom hörte die Geräusche in der Tiefe des Kellers.
Sie rührten von den Schritten, von dem leisen Gemurmel der noch Anwesenden her.
Farbige Lampen, die in den kahlen, feuchten Wänden verborgen waren, leuchteten
die einzelnen Gestalten an, die lebensecht wirkten und nur den Atem anzuhalten
schienen. Der Weinkeller war so ausgebaut, dass der einzelne Besucher praktisch
ständig allein war und das Gruseln genießen konnte. Säulen, vorspringende
Bögen, die sich über die Decke hinweg fortsetzten, und grobe Mauern, die später
angebaut worden waren, unterteilten diesen geräumigen Felsenkeller. Man konnte
sich in eine dunkle Mauernische stellen, die der einen oder anderen Wachsfigur
gegenüberlag, und die Gestalt eingehend mustern.
    Im
Augenblick stand Tom Riggins vor einem glatzköpfigen Franzosen, der vor zwölf
Jahren bei einem Feuergefecht mit der Polizei ums Leben gekommen war. Bei der
Wachsfigur handelte es sich um Pierre Pulloir, einen Psychopathen, der seinem
Opfer seidene Schnüre ins Haus schickte – und dann selbst nachkam, um diese
fein säuberlich um die Hälse zu legen, die er dafür ausgesucht hatte. Pulloir
hatte nur Frauen getötet, schlanke, blonde, grazile Gestalten. Die weißen Hälse
der Schönen hatten ihn verlockt ...
    Grünliches
Licht auf Pulloirs Wachsgesicht schien die Miene des Franzosen zu beleben.
Sekundenlang glaubte Tom, das Spiel der Wangenmuskeln zu erkennen, glaubte,
dass es in den Augen seines Gegenübers verräterisch aufblitzte. Je intensiver
er die Gestalt betrachtete, um so stärker verspürte er das Gefühl, dass Pulloir
vor ihm stand und lebte, dass er vielleicht jeden Augenblick auf die Idee kam,
Feuer für die Zigarette verlangte, die er lässig zwischen seine dünnen Lippen
geklemmt hatte. Tom fühlte, wie ein bisher unbekanntes Kribbeln über seinen
Rücken lief. Er war niemals zuvor in seinem Leben in einem Wachsfigurenkabinett
gewesen. Der Eindruck war makaber.
    Tom
konnte seinen Blick kaum von den kalten, starren Augen Pulloirs lösen, die ihn
zu hypnotisieren schienen. Er dachte daran, dass er kein gewöhnlicher Besucher
war, dass er mit einem besonderen Plan hergekommen war, dass er es sich nicht
leisten konnte, sich zu gruseln. Sein Verstand musste kalt und überlegt
handeln, wenn dieser Coup ein Erfolg für ihn werden sollte.
    Und
plötzlich sah er die Gestalt Pulloirs mit anderen Augen. Er konzentrierte sich
nicht mehr auf die Augen, auf die Erscheinung des Psychopathen, nicht mehr auf
die seidene Schnur, die er in seiner rechten Hand hielt – sondern sein Blick
fiel auf die breite, goldene Uhrkette, die aus der Westentasche herausragte.
Toms Finger zuckten unwillkürlich, doch dann unterließ er es, die Kette zu
berühren. Vielleicht gab es eine Sicherheitsanlage, die Alarm auslöste. Er
konnte sich nicht vorstellen, dass die kostbaren Schmuckstücke vollkommen
ungesichert
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