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0026 - Die Braut des Henkers

0026 - Die Braut des Henkers

Titel: 0026 - Die Braut des Henkers
Autoren: Michael Kubiak
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seinem Fahrgast aus der Hand. Blitzschnell verschwand die Banknote in der Innentasche seiner Öljacke. Dann wischte er sich mit der Hand über den Mund.
    Auch Nicole war neugierig geworden. Gespannt musterte sie den Fährmann.
    »Also von uns glaubt diese Geschichte keiner. Da müsste man ja schön blöd sein. Trotzdem, ich will erzählen, wie's war. Der Alte kam vor vier Tagen mit seinem Kahn in den Hafen getuckert. Dass sein Sohn tot aufgefunden worden ist, das wussten wir anderen Schiffer schon aus der Zeitung. Wir hatten sogar schon daran gedacht, dem Alten einen Besuch abzustatten. War ja immerhin einer von uns. Ist ja auch egal. Nun, der alte McPeters kommt also in den Hafen geschippert. Wir fragen ihn natürlich sofort aus. Erst will er nicht so recht mit der Sprache heraus. Bis wir ihm auf den Kopf zusagen, dass sein Sohn sicher wieder 'ne Schmuggeltour vorgehabt hatte. Eine halbe Flasche Rum lockerte ihm dann endgültig die Zunge. Hat er die Sache eben erzählt. Und dann auch von dem Fluch. Hätte da mal einen Vorfahren gehabt im siebzehnten Jahrhundert. Hätte auch McPeters geheißen wie er. Alte Familie in Coryhead, müssen Sie wissen, Mister.«
    »Ja ja doch, weiter«, drängte Zamorra den Mann.
    »Sicher, Mister. Also der Vorfahre hätte damals dafür gesorgt, dass einer gehenkt wurde. Bei 'ner Hochzeit. Wäre zufällig der Bräutigam. Das ganze Dorf muss ihn gelyncht haben. Und die Braut soll ewige Rache geschworen haben. Die wäre seinem Sohn sicher auch begegnet. Dies Girl, meine ich. Dann hat der alte McPeters noch von einer Ophelia gefaselt, die immer übers Meer kommt und ein Henkerbeil aus einer Kirche holt. Aber das war auch schon alles, was der Alte noch verständlich herausbrachte. Denn mittlerweile war er schon so besoffen, dass er nur noch undeutlich vor sich hinlallte. Das ist alles, Mister. Mehr weiß ich nicht. Tut mir Leid.«
    Zamorra nickte. Sein Gesicht war nachdenklich. Siebzehntes Jahrhundert. Die Zeit, in der in England die Hexenverfolgungen große Mode waren. Und es war nicht gerade selten vorgekommen, dass sich Leute fanden, die sich als Sendboten Gottes vorkamen und auf eigene Faust Hexenprozesse veranstalteten. Sollte es in der Vergangenheit des alten McPeters etwas Derartiges geben?
    Umgab den Alten vielleicht ein Geheimnis? War seine Familie wirklich das Opfer einer jahrhundertealten Rache? Doch laut Pierre Cousteau sollten auch andere Menschen ums Leben gekommen sein. Nun, da wartete in Coryhead eine ganze Menge Arbeit auf ihn und auf seine Assistentin.
    Zamorra bedankte sich noch einmal bei dem Kapitän und ging zu Nicole Duval, die am Bug des Schiffes stand und Ausschau nach der Küste hielt.
    Die See war ziemlich rau, doch der Himmel klar. Man konnte sehr weit blicken, und es dauerte gar nicht lange, bis die beiden Reisenden die Küstenlinie ausmachen konnten.
    »Da hinten, Mister. Das ist Coryhead«, brüllte der Skipper aus dem Steuerhaus. »Noch eine Stunde, dann sind wir da.«
    Zamorra winkte zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
    Dann bückte er sich zu seiner Reisetasche und holte ein Fernglas heraus. Aufmerksam und sorgfältig suchte er den Küstenstrich ab.
    Ein paar niedrige Häuser, aus deren Schornsteinen vereinzelt Rauch aufstieg, ein schmaler Streifen Strand, ja, und ein riesiger Felsen, der dort aufragte. Zamorra musste genauer hinschauen, bis er erkannte, dass es sich in Wirklichkeit um zwei Felsen handelte, die äußerst dicht zusammenstanden. Und die düstere Zone zwischen den Felsen, offensichtlich eine Lücke, wirkte wie ein geheimnisvolles Tor.
    Das Tor zu einer anderen Welt, schoss es Zamorra unwillkürlich durch den Kopf. Doch er verdrängte den Gedanken sofort. War es wirklich schon so weit, dass er in jeder rätselhaften Erscheinung etwas Unheimliches und Übersinnliches sah?
    ***
    Das Schiff legte an einem kleinen Betonkai an, der ein Stück ins Meer hinausragte. Es war das einzige Schiff.
    Die anderen Boote, die sonst hier lagen, waren am frühen Morgen auf die See hinausgefahren. Der Arbeitstag eines Fischers fängt eben schon früh an. So war es auch zu erklären, dass sich kaum einer um die Ankunft der beiden Reisenden kümmerte. Nur ein paar alte Männer, zittrig und von der Last der Jahre gebeugt, saßen auf einer Steinmauer und verfolgten mit neugierigen Blicken, wie der Professor und seine Assistentin an Land gingen.
    Zamorra hatte den Kapitän des kleinen Motorkutters fürstlich entlohnt, und dieser hatte ihm noch empfohlen, sich in der
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