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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer
Autoren: Susanne Wiemer
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und zog sich die Kapuze über den Kopf. Erneut verließ er das Zimmer, nahm diesmal den Hinterausgang und erreichte mit wenigen Schritten den hoteleigenen Parkplatz.
    Während er wartete, rauchte er in aller Ruhe zwei Zigaretten und dachte nach. Vor allem das Auftauchen Alban Marrics beschäftigte ihn. Bei den beiden flüchtigen, zufällig zustande gekommenen Begegnungen mit dem Magier hatte er spontane Sympathie empfunden, daran erinnerte er sich noch genau. Marric war eine faszinierende Persönlichkeit, ein schillernder, zwielichtiger Charakter – und alles in allem ein Mann von reichlich zweifelhaftem Ruf. Zamorra kannte ihn nicht gut genug, um beurteilen zu können, was hinter diversen Gerüchten steckte. Aber er hatte zu Marric von Anfang an eine Art innere Verwandtschaft gespürt, er glaubte zu wissen, daß dieser Mann weder ein Scharlatan war noch zu den Besessenen gehörte, die ihren Forschungen schließlich das eigene Gewissen opfern, und er fragte sich, was der Magier wohl in einem Nest wie Redhorn suchen mochte.
    Hatten ihn vielleicht ähnliche Gründe hierhergeführt wie Zamorra selbst?
    War er möglicherweise ein Verbündeter? War er…
    Ein Schatten tauchte auf. Schritte näherten sich, die Wagentür wurde geöffnet, und Jessica Havilland glitt auf den Beifahrersitz, ehe Zamorra Anstalten machen konnte, ihr zu helfen.
    Sie trug einen grünen Lackmantel und einen Regenhut. Die kastanienbraunen Ponyfransen klebten ihr feucht in der Stirn, an den langen, gebogenen Wimpern hingen ein paar glitzernde Tropfen. Sie lächelte – aber in der Haltung, mit der sie sich auf den Sitz kauerte und die Knie mit den Händen umfaßte, lag mißtrauische Spannung.
    Zamorra bot ihr eine Zigarette an. Sie akzeptierte, ließ sich Feuer geben. Nach ein paar Zügen entspannte sie sich etwas, und durch die zerfasernden Rauchringe hindurch suchte sie Zamorras Blick.
    »Ich habe Angst um Jim«, sagte sie leise in einem fast bittendem Ton. »Er hing an seiner Schwester, und er hat sich förmlich in den Gedanken verbissen, sie wiederzufinden. Dabei scheint er die Fähigkeit verloren zu haben, vernünftig zu denken. Haben Sie in der Zeitung von der Geschichte gelesen?«
    Zamorra nickte nur. Jessicas Blick hing nach wie vor an seinem Gesicht.
    Eben noch war sie hellwach und mißtrauisch gewesen, hatte ihn abzuschätzen, zu ergründen versucht – doch jetzt spürte er ihr erwachendes Vertrauen.
    Sie zog an ihrer Zigarette und seufzte leicht.
    »Jim hat sich an die Presse gewandt, als die Polizei nichts mehr unternahm«, sagte sie. »Und die Zeitungsleute sind ja immer sehr interessiert, wenn sie irgendwo einen Skandal wittern. Dabei gibt es gar keinen Anlaß für einen Skandal. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Polizei alles getan hat, was sie überhaupt tun konnte.«
    »Und Jim?« fragte der Professor.
    Jessica hob die Schultern. »Ich weiß nicht recht. Er glaubt offenbar, daß mehr dahintersteckt, vielleicht ein groß angelegtes Verbrechen oder…«
    »Ja?«
    »Irgend etwas anderes, Geheimnisvolles.« Jessica nagte an der Unterlippe und suchte nach Worten. »Die Leute hier sind abergläubisch«, fuhr sie zögernd fort. »Vor allem die Älteren. Sie glauben zum Beispiel, daß es in dem alten Herrenhaus auf dem Hügel nicht ganz geheuer ist. Jim hat immer darüber gelacht – früher. Jetzt scheint er die alten Geschichten ernst zu nehmen. Ich weiß, es klingt unwahrscheinlich, aber…«
    »Nicht unwahrscheinlicher als die Annahme, daß drei junge Mädchen einfach ohne jeden Grund verschwunden sind«, sagte Zamorra ruhig.
    »Sie glauben…«
    Jessica stockte. Sie starrte den Professor sekundenlang an. Ihre braunen Augen hatten sich verdunkelt. Unsicherheit und Furcht flackerten darin, und erst nach einem tiefen Atemzug schien sie sich wieder zu fangen.
    »Ich weiß selbst nicht mehr, was ich, denken soll«, sagte sie leise.
    »Am besten ist es, wenn Sie mit Jim selbst sprechen. Ich wollte gerade zu ihm. Wenn Sie mitkommen möchten?«
    Zamorra nickte.
    Er ließ sich den Weg beschreiben, fuhr an, und wenig später rollte der schwarze Cadillac vor einem zweistöckigen Holzhaus am Ende der Hauptstraße aus.
    Jim Coltrane bewohnte ein Zimmer mit separatem Eingang in einem flachen Anbau. Fichten und Kiefern säumten den Weg, der am Haus vorbei in den Garten führte. Jessica ging voran, Zamorra folgte ihr, und sein Blick glitt mit gewohnter Vorsicht in die Runde.
    Kahle Obstbäume, eine Rasenfläche, Beerenhecken. Der Garten grenzte
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