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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer
Autoren: Susanne Wiemer
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außerstande, die verschiedenen Bruchstücke der Wahrnehmung in einen vernünftigen Zusammenhang zu bringen.
    »Hörst du mich, Alban?«
    Er kannte die Stimme.
    Erinnerung erwachte. Er hatte den Bann gebrochen, der um das Haus lag. Aber er hatte es nicht vermocht, die beiden unbekannten Männer unter seinen Willen zu zwingen, die Kraft seiner Gedanken war an ihnen abgeprallt wie an einem Schutzschild, und sie hatten…
    Seine Lider hoben sich.
    Irgendeine Randschicht seines Hirns registrierte binnen Sekunden, daß er sich im Haus befand, daß er tatsächlich in einem Sessel saß, daß seine Arme mit Ketten gefesselt waren. Die Tatsache beunruhigte ihn nicht – noch nicht, denn seine Waffe war nicht die körperliche Kraft. Sein Blick glitt umher. Er erfaßte Einzelheiten, musterte das Zimmer, prägte sich den Anblick ein – und gleichzeitig konzentrierte er einen anderen, tieferen, verborgenen Teil der Wahrnehmung von der ersten Sekunde an auf seinen Gegner.
    Giordano Calgaro stand neben einem ausladenden Mahagonischreibtisch.
    Er hatte sich verändert – erschreckend verändert. Der knochige, vollkommen kahle Schädel erinnerte an einen Totenkopf. Eine Art Umhang lag um die dürren Schultern, wie altes Pergament spannte sich die Haut über den scharf vortretenden Jochbeinen, und ein teuflisches Lächeln verzerrte den schmalen, lippenlosen Mund. Nur die Augen waren noch dieselben. Schmale, tiefliegende Augen – gelb wie die eines Raubtiers. Die Pupillenschächte wirkten wie schwarze Abgründe, die Irisringe glitzerten durchsichtig wie Bernstein, und sie strahlten einen kalten, unheimlichen Glanz aus, den Alban Marric wie einen Eishauch auf der Haut zu spüren glaubte.
    »Jordan…«, sagte er leise.
    Der Hagere kicherte. Seine spitzen Schultern bebten.
    »Calgaro«, verbesserte er. »Giordano Calgaro! Ich bin nicht mehr der, der ich war, Alban.«
    Der Magier straffte sich.
    Immer noch spürte er Schmerz und Benommenheit, doch seine Gedanken arbeiteten wieder klarer. Er starrte die gelben Augen an.
    »Ja«, sagte er mit der Kraft der Wahrheit. »Du bist nicht mehr, der du warst. Du bist ein Verbrecher, ein Mörder! Du bist eine Bestie, Jordan, du…«
    Er verstummte. Das kalte, höhnische Glitzern in den gelben Augen war nicht mehr menschlich. Immer noch schüttelte das lautlose Kichern Calgaros Körper, und er hob die Hand zu einer umfassenden Geste.
    »Vielleicht«, zischte er. »Vielleicht hast du recht, aber darauf kommt es nicht an. Denn ich habe Macht, Alban! Ich habe mehr Macht, als je ein anderer Mensch besitzen wird! Ich werde es dir zeigen. Ich werde dir alles zeigen, Alban. Schau dich um! Siehst du meine Dienerinnen?«
    Marric wandte den Kopf.
    Er folgte der Blickrichtung des anderen wie unter einem Zwang, starrte die drei Frauen an, die reglos wie Statuen in einem bogenförmigen Durchgang standen. Sie waren schön, alle drei. Jung, schön, blaß wie Marmor – mit weiten, leblosen Augen. Eine von ihnen hatte langes blondes Haar, das wie ein silbriges Vlies um die schmalen Schultern floß, und er wußte, daß sie Jim Coltranes Schwester sein mußte.
    »Claire Coltrane?« fragte er leise.
    »Sie war Claire Coltrane«, sagte Calgaro mit seiner metallischen Stimme. »Genauso wie die anderen Anabel Verton und Maria Benetti waren. Jetzt gehören sie mir. Sie sind nicht mehr sie selbst, sie sind meine Geschöpfe. Meine Diener hast du ja schon kennengelernt: Jason und Jeremy.« Er lächelte schmal, sein Blick tastete über die starren Gesichter der Männer, und seine Stimme gab einen kurzen, halblauten Befehl. »Jason, Jeremy – bringt ihn hinunter!«
    Die beiden Diener traten wie Roboter auf Marric zu. Sie zogen ihn hoch. Er spannte sich, wollte sich wehren, doch schon die leichte Bewegung genügte, um das Schwindelgefühl wieder erwachen zu lassen. Er taumelte, wäre gestürzt, wenn die harten Fäuste seiner Gegner ihn nicht festgehalten hätten, und es dauerte ein paar Sekunden, bis die tanzenden Schleier vor seinen Augen wichen.
    Zorn brannte in ihm. Eine Mischung aus Zorn, Schwäche und Bitterkeit.
    »Was hast du mit ihnen gemacht?« fragte er krächzend. »Was hast du ihnen angetan? Sie operiert? In ihren Hirnen herumgewühlt? Ihr Denken und Fühlen und ihe Persönlichkeit vernichtet, um…«
    »Allerdings«, sagte Calgaro ruhig. »Ich beschäftige mich unter anderem mit Gehirnoperationen, das hast du sehr richtig vermutet. Das erste Experiment damals ging leider daneben, wie du weißt, aber
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