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0013 - Die Knochengrube

0013 - Die Knochengrube

Titel: 0013 - Die Knochengrube
Autoren: Horst Friedrichs
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Nationale 147 nach Poitiers abbiegen. Es war zehn Uhr morgens. Zamorra blickte angestrengt durch die Windschutzscheibe. Nicht, weil ihn das Fahren besonders in Anspruch nahm, sondern weil er mit den Gedanken wieder einmal ganz woanders war.
    Nicole Duval saß auf dem Beifahrerplatz und betrachtete ihren Chef mit einer Mischung aus Besorgnis – und Amüsiertheit. Die hübsche Sekretärin hatte sich zwar an Zamorras Eigenheiten gewöhnt und gab nur selten Kommentare dazu ab – für das weite Gebiet der Parapsychologie und alle damit verbundenen Forschungen fehlte ihr jedoch nach wie vor jeder Funke von Verständnis. Übersinnliches hielt sie schlichtweg für Unsinn.
    Daß Zamorra aber mit seinem Fachgebiet beschäftigt war, verriet sein Gesichtsausdruck. Nicole ordnete ihre Jeanne-d’Arc-Frisur mit einer Hand, seufzte demonstrativ und zog die Augenbrauen hoch.
    »Chef, wollen sie mir endlich verraten, warum wir Château Montagne überraschend verlassen mußten, wo unser Ziel liegt und ob die Lektüre der Morgenzeitungen in irgendeinem Zusammenhang mit Ihrem plötzlichen Reisefieber steht?«
    Zamorra lächelte. »Nichts gegen Ihren Wissensdurst, Nicole. Aber ich bin von vornherein überzeugt, daß Sie wie üblich die Nase rümpfen.«
    »Aha. Sie haben einen Fall gewittert, stimmt’s?«
    »Erraten.«
    »Und warum, wenn man fragen darf, müssen Sie mich in jedes Ihrer komischen Abenteuer verwickeln?«
    »Weil Sie mir unschätzbare Dienste erweisen, meine Liebe. Vergessen Sie im übrigen nicht, daß zwischen uns ein echtes Brötchengeber-Angestellten-Verhältnis besteht.« Zamorra grinste nun richtig breit.
    Nicoles einmalig schöne Augen verengten sich. »Nun mal im Ernst, Chef. Was ist los?«
    »Gut, reden wir Klartext. Wir fahren nach Bordeaux, beziehungsweise dem an der Atlantikküste liegenden Arcachon. Die Küstenwache fing gestern gegen elf Uhr einen mysteriösen Funkspruch auf, der vollständig im France Matin abgedruckt stand. Ein niederländischer Frachter namens ›Drachten‹ will nach Angaben des Kapitäns und des Funkers von einem Geisterschiff überfallen worden sein.«
    »Wer glaubt denn so was?«
    »Nicole, die ›Drachten‹ ist tatsächlich gesunken.«
    »Das ist allerdings schrecklich. Gibt es Überlebende?«
    »In der Zeitung war darüber nichts Verwertbares zu lesen. In der Biskaya, die der Holländer durchquerte, tobte nämlich während der letzten Nacht ein fürchterlicher Orkan. Erst am frühen Morgen konnte die Küstenwacht Rettungskommandos ausschicken, um nach der zehnköpfigen Besatzung zu forschen.«
    »Entschuldigen Sie, Chef, aber wie kann die Küstenwacht dann so sicher sein, daß dieser Frachter untergegangen ist? Wäre es nicht möglich, daß das Wrack…«
    »Nein.« Zamorra schüttelte den Kopf. »Die letzten Worte des Kapitäns Joop Pravemann lauteten: Wir sind gerammt worden und sinken. Außerdem lieferte er eine ziemlich genaue Beschreibung eines hell erleuchteten altmodischen Passagier-Ozeanriesen, auf dessen Decks Knochengestalten tanzten und Säbel schwangen.«
    »Und Sie wollen sich in Arcachon davon überzeugen, daß diese Vision nichts anderes als ein von Panik verwirrten Gedanken entsprungenes Hirngespinst ist?« Nicole war für ihre scharfzüngigen Formulierungen bekannt.
    »Ich wäre ruhiger, wenn dem so wäre«, lautete Zamorras Antwort.
    Die zweihundertzwanzig Kilometer von Poitiers nach Bordeaux legten sie auf der Europastraße 3 zurück. Der Professor bewältigte sie in knapp zwei Stunden, benutzte in Bordeaux die innere Entlastungsstraße und dirigierte den schnittigen Sportwagen schließlich bei Pessac auf die Strecke, die den tellerflachen Küstenstreifen bis Arcachon überquerte.
    Arcachon.
    Das Städtchen lag direkt an einer ausgedehnten Bucht des Atlantik. Gegenüber befanden sich der Leuchtturm von Cap Ferrat und weiter nördlich jener breite weiße Sandstrand, der im Sommer förmlich vor Touristen überquoll. Jetzt im Herbst war von dem Rummel lediglich noch etwas zu ahnen. Arcachon selbst machte eher einen unfreundlichen als einladenden Eindruck.
    Zum großen Teil lag das sicherlich an den düsteren Wolken, die vom Wind landeinwärts getrieben wurden und die Sonne verdeckten.
    »Die Station der Küstenwacht befindet sich direkt am Hafen«, sagte Zamorra. »Kennen Sie sich aus, Nicole?«
    »Nein. Ich wurde zwar in Paris geboren, aber dieses Fleckchen Muttererde habe ich nie betreten. Sie dagegen scheinen nicht zum erstenmal in Arcachon zu sein.« Nicoles
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