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0013 - Die Knochengrube

0013 - Die Knochengrube

Titel: 0013 - Die Knochengrube
Autoren: Horst Friedrichs
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Pferdestärken. Die Geschwindigkeit betrug somit mehr als 21 Knoten – eine sehr bedeutsame Ziffer, denn wenn ein Schiff dieses Tempo einhalten konnte, traf es am siebten Tag nach der Atlantik- überquerung so rechtzeitig in New York ein, daß die Passagiere noch am selben Tag von Bord gehen konnten.«
    Nicole blickte den Professor verdutzt an. »Warum war denn das so wichtig?«
    »Einen Moment, hier steht es!« Zamorra suchte mit dem Zeigefinger die richtige Zeile heraus.
    »Schon eine geringfügige Verspätung führte dazu, daß der Dampfer über Nacht warten mußte, weil die New Yorker Hafenbehörden, Quarantäne, Zoll und Immigration ihre Büros pünktlich schlossen.«
    »Waren nicht die Engländer und Deutschen die großen Schiffskonstrukteure und Atlantikfahrer jener Zeit?« wollte Nicole wissen.
    »Schon. Aber aus diesem Text geht hervor, daß die Spanier 1899 damit begannen, ihnen Konkurrenz zu machen. Jedenfalls gab es eine zweite Reederei, die solche Riesen baute. Ein Schiff namens ›Ovidio‹, nur einen Meter kürzer und genauso stark wie die ›Estrella Negra‹, ging am 13. Oktober 1899 gleichzeitig mit ihr von Santander aus auf die Jagd nach dem legendären Blauen Band. Das ist eine Auszeichnung für das jeweils schnellste Schiff in der Nordatlantikfahrt zwischen Europa und New York. 1838 wurde der Preis zum ersten Mal vergeben, und zwar an den britischen Raddampfer Great Western. Schön und gut, die beiden spanischen Schiffe nahmen also das Wettrennen mit den Engländern und Deutschen auf, die zur gleichen Stunde oder mit dem jeweils lokal bedingten Vorsprung abgelegt hatten. Hören Sie zu, Nicole, jetzt wird es spannend! In der Biskaya gerieten die ›Estrella Negra‹ und die ›Ovidio‹ in einen Orkan. Die ›Estrella Negra‹, geführt von ihrem Kapitän Raspani, erlitt Havarie und sandte einen Notruf aus. Kapitän Cesar Saldana von der ›Ovidio‹ kam ihm daraufhin jedoch nicht zu Hilfe.«
    »Aus Angst, das Wettrennen zu verlieren?«
    »Richtig. Raspani gelang es, die Passagiere und die Besatzung in die Rettungsboote zu verfrachten, bevor die ›Estrella Negra‹ sank. Wie es sich für einen ehrbewußten Capitano gehörte, ging er mit seinem Dampfer unter. Es heißt, er habe Saldana vor seinem Tod per Funk verflucht – ihn und seine sämtlichen Nachkommen.«
    »Und Saldana gewann?«
    »Nein. Erster wurde ein Deutscher.«
    »Eine sinnlose Tragödie also. Dieser Saldana verhielt sich sehr unkameradschaftlich, und letztlich brachte es ihm nichts ein. Raspani hätte sein Schiff mit der Besatzung verlassen und sich den Fluch sparen können.« Nicole legte sehr viel Wert auf die Behauptung, sie sei Realistin.
    »Sie wissen nicht, wie genau man es damals mit dem Stolz nahm, gerade in Spanien«, erwiderte der Professor. »Übrigens, in diesem Album ist auch die Position verzeichnet, an der die ›Estrella Negra‹ sank. Ich schreibe sie mir auf.«
    »Warum?«
    »Das Wrack liegt nicht mehr als hundert Seemeilen von der Untergangsstelle der ›Drachten‹ entfernt. Mit einer schnellen Jacht benötigen wir rund vier Stunden, um dorthin zu gelangen.« Zamorra setzte wieder sein hintergründiges Lächeln auf.
    »Was wollen Sie tun, Chef?«
    »Nach dem Wrack tauchen!«
    »Aber Sie versprechen sich doch wohl keine handfesten Schlüsse davon! Was hat denn die ›Estrella Negra‹ mit dem Untergang des niederländischen Dampfers zu tun – heute, fünfundsiebzig Jahre nach dem Drama?«
    »Sie fuhr auf die ›Drachten‹ zu und rammte sie, wenn mich nicht alles täuscht«, versetzte Zamorra beharrlich.
    »Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen dem Fluch des Raspani und dem Tod von Joop Pravemann und seiner Mannschaft«, kräuselte Nicole die Stirn.
    Zamorra klappte den Folianten zu und richtete sich auf. »Jetzt haben Sie schon selbst beim Namen genannt, worauf ich hinauswollte, Nicole.«
    Seine Sekretärin verstand überhaupt nichts mehr.
    ***
    Die Jacht war das beste Schiff, das Zamorra im Hafen von Arcachon mietweise hatte bekommen können. Sie hieß »Quimper«, war keine zwei Jahre alt und fast dreißig Meter lang. Ihr schnittiger weißer Rumpf wurde von zwei 270-PS-Dieselmaschinen durch den Atlantik bewegt.
    Vierzehn Uhr.
    Nicole Duval stand im Cockpit der Jacht und beobachtete die Instrumente auf dem Armaturenbrett. Sie brauchte keinen Handschlag zu tun, nicht einmal das Ruder zu halten. Alles wurde von der elektronischen Steuerungsanlage erledigt, die Zamorra nach dem Verlassen des Hafens auf den
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