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0007 - Die Nacht der mordenden Leichen

0007 - Die Nacht der mordenden Leichen

Titel: 0007 - Die Nacht der mordenden Leichen
Autoren: Franc Helgath
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über das nachtschwarze Firmament schob.
    Ein Geräusch ließ ihn hochfahren.
    Schon wieder eine Ratte?
    Seine Hand fuhr zur Keule. Flink wieselten seine Augen über den dunklen Boden. Doch er sah nichts.
    Wieder dieses Geräusch. Es kam aus der Leichenkammer. Hatte er eine Ratte übersehen? Es klang auch nicht wie das Nagen einer Ratte. Mehr nach einem dumpfen Rumoren.
    Victor Mannaix stand auf und ging vor zu der zweiflügeligen Tür der Kapelle. Er öffnete den einen Flügel. Knarrend drehte er sich in den rostigen Angeln.
    Die beiden Särge standen in der Mitte auf schwarz angestrichenen Lattengestellen. Links und rechts von ihnen brannten armdicke Totenkerzen. Ein Lebensbaum stand in einer Ecke in seinem Topf. Die Blätter hingen verloren den graubraunen Steinplatten entgegen.
    Der Friedhofswärter lauschte auf das Geräusch. Seine Augen suchten den Boden ab. Keine Ratte. Er atmete auf. Hauptsache, keine Ratte, geisterte es durch sein abgestumpftes, armseliges Gehirn.
    Aber woher kam das Geräusch dann?
    Aus einem der beiden Särge? Aus beiden Särgen?
    Ja.
    Die verfilzten Nackenhaare des Alten sträubten sich wie bei einem Hund, der Gefahr wittert.
    Seine Gedanken sagten ihm, daß er davonlaufen müßte, schreien, Hilfe holen. Doch Mannaix blieb wie angewurzelt stehen und beobachtete das makabre Schauspiel.
    Der linke Sargdeckel schob sich beiseite. Jetzt auch der rechte. Finger schoben sich tastend über den Rand. Blasse, weiße Leichenfinger. Dann die Hände.
    Der eine Sargdeckel fiel polternd zu Boden, als sich die Gestalt in der langen, roh zusammengezimmerten Kiste aufrichtete. Die Kerzen flackerten in einem Luftzug, der aus dem Nichts kam. Trotz der lauen Sommernacht wurde es kalt in dem engen, stickigen Raum.
    Eisig kalt.
    Michels zerrissener Schädel grinste Victor Mannaix, dem Totengräber, entgegen. Jetzt tauchte auch Marie aus ihrem Sarg. Die dunkle Wunde an ihrer Kehle klaffte weit. Ihr Gesicht war zu einer grinsenden Fratze verzerrt. Die Klauen der ›Schwarzen Frau‹ hatten ihr die Lippen weggerissen. Nackt bleckten die Zähne aus dem blaßrosa Zahnfleisch.
    Victor Mannaix wollte weglaufen, aber seine Füße schienen mit den kalten Steinfliesen verwachsen. Die Keule entfiel seiner erschlafften Hand. Mit einem röchelnden Aufschrei riß er seine Arme vors Gesicht. Doch die spukhaften Erscheinungen blieben. Sie entschwanden auch nicht, als er ein Stoßgebet zum Himmel schickte.
    Unbeeindruckt setzten die Leichen ihren Weg fort. Direkt auf den Ausgang zu. Victor Mannaix stand dazwischen.
    Fassungslos sah er, wie sich die verstümmelten Leichen veränderten. Wie sich die grauenvollen, offenen Wunden mit Fleisch füllten, wie sich die Gesichtszüge entspannten, sich die Körper der beiden jungen Menschen zu ihrer vollen Größe streckten. Die Wunde am Hals des Mädchens wuchs zu. Glatte Haut spannte sich wieder, wo ihre Kehle zerrissen war.
    Die beiden Leichen begannen zu atmen. Ihre Brustkörbe hoben und senkten sich. Michel Barrat und Marie Fraisson lebten wieder.
    Sie sahen sich um, als würden sie aus einem tiefen Schlaf erwachen.
    »Wo sind wir hier?« fragte Michel Barrat.
    Seine jugendliche, frische Stimme hallte unnatürlich laut in der Kammer.
    Victor Mannaix ließ allmählich seine Arme sinken. Er fand sich mit dem Unglaublichen eher ab als ein normal vernünftiger Mensch.
    »In… der … Leichenkammer … von Lamastre«, antwortete er krächzend. »Ihr sollt bald eingegraben werden.«
    Michel Barrat schaute blicklos durch den alten Mann hindurch.
    »Leichenkammer«, wiederholte er dumpf und legte den Kopf schief, als würde er nach innen horchen. »Ja«, sagte er dann.
    Der junge Mann wechselte einen beziehungsvollen Blick mit dem Mädchen. Sie nickten sich zu.
    Dann streckten sie ihre Arme in Richtung Mannaix aus. Der Alte wich zurück an die Wand der Leichenkammer.
    Die beiden kamen mit ausgestreckten Armen auf ihn zu, trieben ihn wie ein Tier in die Falle. Entsetzt sah Victor Mannaix, daß ihre Fingernägel zu wachsen begannen. Sie wurden immer länger und fester und nahmen das Aussehen glühender Eisenzangen an.
    Victor Mannaix’ Fleisch zischte auf, als die glühenden Klauen es berührten. Ein unmenschlicher Schrei entrang sich seiner Kehle, doch er verhallte ungehört. Das letzte, was er sah, waren die rot brennenden Augen in den Gesichtern seiner Mörder.
    Langsam rutschte Victor Mannaix, oder das, was von ihm übriggeblieben war, an der Wand der Leichenkammer hinunter. Als er
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