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0006 - Ich stürmte das graue Haus

0006 - Ich stürmte das graue Haus

Titel: 0006 - Ich stürmte das graue Haus
Autoren: Delfried Kaufmann
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Tuchhandel unter dem Dach im siebten Stock betrieb.
    Landy hatte nicht nur zwei Zimmer, sondern die ganze rechte Seite gemietet.
    Ich ließ mich anmelden, und der Vorsicht halber sagte ich, ich wäre an einem größeren Posten Tuche interessiert. Drei Minuten später saß ich John Landy gegenüber.
    Nein, sosehr, wie ich es mir unbewußt vorgestellt hatten sahen sich der Mann und Joel Ruster nicht ähnlich. Landy war kleiner, gut beleibt und fast kahl. Und dennoch hing auch über ihm eine Atmosphäre, die bedrückend schien. Seinem Aussehen nach war er ein kleiner jovialer Geschäftsmann, und da ich als aussichtsreicher Kunde zu ihm kam, hätte er mich freudig, womöglich mit einer Zigarre und einem Glas Sherry, begrüßen müssen, aber er wirkte schlaff und uninteressiert. Seine dicken Wangen hingen kummervoll herab, und unter seinen kleinen Augen lagen tiefe bläuliche Schatten.
    »Womit kann ich dienen, Sir?« fragte er. Es klang mechanisch wie etwas Eingelerntes.
    Ich warf meinen ursprünglichen Plan um.
    »Lassen wir das Theater«, sagte ich knapp. »Ich interessiere mich nicht für Tuche. Mein Name ist Cotton vom FBI.«
    Ich reichte ihm meinen Ausweis über den Schreibtisch, aber er nahm ihn nicht.
    Er schien in seinem Stuhl noch kleiner zu werden, ließ den Kopf sinken und murmelte: »Sie kommen wegen Ruster. Ich dachte mir, daß Sie kommen würden. Sie — oder er.«
    Er leistete überhaupt keinen Widerstand. Er versuchte nicht zu leugnen. Er tat nicht einmal erstaunt. Ich fühlte etwas wie Mitleid mit ihm.
    »Sie haben gemeinsam mit Ruster gegen das Gesetz verstoßen«, sagte ich möglichst freundlich, »aber das ist es nicht, was uns in erster Linie interessiert. Werden Sie auch erpreßt?«
    Er hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
    »Natürlich«, murmelte er. »Ich zahlte vorgestern zwanzigtausend Dollar, die höchste Summe, die er je verlangte.«
    Ich stand auf.
    »Es ist notwendig, daß Sie mit mir gehen, Mr. Landy.«
    Er nickte stumm, stemmte sich dann aus seinem Sessel hoch, blickte mich an und fragte: »Bin ich verhaftet?«
    Ich lächelte. »Noch nicht. Vorläufig bitten wir Sie zu einer Unterredung.«
    Er schlurfte zu einem eingebauten Schrank in der Wand, zog einen leichten Mantel an und setzte sich einen steifen Hut auf. Er tat alles mit langsamen, gleichsam eingeschlafenen Bewegungen.
    »Vielleicht gehen wir durch diese Tür, die direkt auf den Flur mündet«, bat er mit dem Blick eines traurigen Hundes. »Meine Angestellten brauchen nicht zu merken, daß ich — abgeführt werde.«
    Ich tat ihm den Gefallen und wollte mich auf dem Gang nach links wenden, zum Fahrstuhl.
    Aber Landy bat mich: »Benutzen wir die Treppe. Der Liftführer könnte ebenfalls merken, was mit mir los ist.«
    Sieben Etagen sind eine ganze Menge Stufen, aber es ging ja abwärts, und mir hätten sie auch aufwärts nichts ausgemacht, nur Mr. Landy tappte verteufelt langsam. Er hielt sich am Geländer fest, keuchte und schwankte, und ich fürchtete, er würde mir am Ende noch in Ohnmacht fallen.
    »Reißen Sie sich zusammen«, sagte ich. »Es wird nicht so schlimm werden.«
    Ich weiß nicht, ob er mich überhaupt verstand, jedenfalls schaffte er es bis ins Erdgeschoß.
    Das Bürohaus hatte einen großen Eingang, eine Art Vorhalle, die in der Mitte durch die Tür, die wir benutzten, begrenzt war. An der linken Wand verlief der Fahrstuhlschacht. Rechts befand sich eine gläserne Portiersloge, etwas vorgebaut, und dahinter eine einfache Holztür mit der Aufschrift: ›Zum Keller. Betreten für Unbefugte verboten.‹ Wir standen auf der dritt- oder viertletzten Treppenstufe, als sich diese Tür öffnete und ein Mann in einem blauen Overall und mit einer Werkzeugtasche in der Hand herauskam. Ich konnte ihn nicht genau sehen. Die Rahmen der gläsernen Portiersloge verdeckten ihn. Er wandte sich dem Ausgang zu, kam dabei hinter der Loge hervor, zeigte mir aber den Rücken.
    Am meisten fiel mir auf, daß er rasch ging. Es war ein noch ganz unbestimmter Verdacht, der mich ihn anrufen ließ.
    »Halt!« rief ich, nicht einmal laut.
    Er warf für einen Augenblick seinen Kopf herum, und ich konnte sein Gesicht sehen: schwarzes Haar, dunkle Augen, gelbliche Hautfarbe, kleines dunkles Schnurrbärtchen. Dann rannte er.
    »Stehenbleiben!« schrie ich, warf mich die vier Stufen hinunter und brüllte zu Landy zurück. »Verkriechen Sie sich irgendwo! Gehen Sie nicht auf die Straße!«
    Der Mann im Monteuranzug hatte einen Vorsprung von
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