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0006 - Ich stürmte das graue Haus

0006 - Ich stürmte das graue Haus

Titel: 0006 - Ich stürmte das graue Haus
Autoren: Delfried Kaufmann
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mindestens zwanzig Schritt, und er war geschmeidig und schnell. Die Doppeltür des Eingangs stand weit auf, und als er hindurchflitzte, versuchte er, mir seine Tasche zwischen die Beine zu schleudern, aber sie schlitterte schräg an mir vorbei über den Fußboden.
    Zwei Sekunden nach ihm erreichte ich das Portal, da rannte er schon über die Straße.
    Ich riß den Revolver aus der Halfter, rief noch einmal: »Bleib stehen!« und jagte ihm eine Kugel so dicht über den Schädel, daß er den Luftzug spüren mußte.
    Er lief aus Leibeskräften. Die 63. Straße ist breit. Er mochte sich ungefähr auf der Mitte der Fahrbahn befinden, und ich hob eben den Revolver, um ihn ein zweites Mal zu warnen, als ein Schuß scharf und knallend peitschte, bevor ich den Abzug berührte. Der Mann wirbelte herum. Ich glaubte einen Augenblick lang an einen Trick, eine besondere Art von Fluchtmanöver, ähnlich dem geschlagenen Haken eines Hasen, aber es war nichts dergleichen. Es war der Schlag einer Kugel, der ihn um seine Achse gedreht hatte. Der Drehung folgte ein schwerer Fall, ein langsames Rollen auf den Rücken, ein Ausbreiten der Arme.
    Woher war dieser Schuß gekommen? Wer hatte ihn abgefeuert? Die 63. Straße war um diese Zeit noch nicht sehr belebt. Natürlich rollten Autos über die Fahrbahn, ein paar Leute gingen auf den Trottoirs, und bisher war alles so schnell gegangen, daß noch keiner der Wagen gestoppt hatte, und eben erst stießen zwei Frauen unter den Passanten den ersten Schrei aus.
    Mein Blick flog das gegenüberliegende Haus hoch, ein großer Bau, noch etwas höher als das Bürohaus, aus dem ich kam. Vielleicht war es eine Augentäuschung, aber ich glaubte für die Dauer von zwei Lidschlägen, den Kopf eines Mannes hinter der Fensteröffnung in der vierten Etage zurückzucken zu sehen, und dieses Fenster war das einzige in der Reihe, das offenstand. Ich spurtete los, hetzte mit zwei Sätzen über den Bürgersteig, tobte über die Fahrbahn.
    Ich mochte auf der Höhe des Niedergeschossenen sein, als ein Auto laut hupend heranschoß. Ich sah nur einen schwarzen Schatten aus den Augenwinkeln. Mein Körper reagierte ohne Zutun meines Gehirns, und es muß so etwas wie ein Panthersprung gewesen sein, den ich da produzierte. Nein, ich kam nicht ganz vom Kühler weg, aber wenigstens so, daß der heranschießende Wagen mich nicht voll packte. Der linke Kotflügel erwischte mich, wahrscheinlich noch, bevor ich wieder die Erde berührte, und aus dem Panthersprung wurde ein Salto, kombiniert mit einer halben Rolle.
    Ich landete am Bordstein, knallte schwer dagegen, schlitterte ein Stück daran entlang, aber ich verlor nicht den Verstand. Ich behielt die Augen offen und den Revolver in der Hand.
    Der Wagen, dieser verdammte Mordwagen, war nahe genug, und ich feuerte ihm den ganzen Rest meines Magazins in die Rückseite. Seine Stopplichter leuchteten auf. Er stand vielleicht fünfzig Yard entfernt, während jetzt überall die Bremsen quietschten.
    Ich sprang auf, ja, es ging. Vielleicht tat irgend etwas weh, vielleicht sogar ’ne ganze Menge, jedenfalls spürte ich es in diesem Augenblick nicht. Ich war neben dem Wagen, bevor er noch hielt, und ich fuchtelte dem Mann am Steuer mit dem Revolver vor dem Gesicht herum.
    »Aussteigen!« knurrte ich.
    »Ich bin untröstlich, Sir«, sagte er. »Ich hoffe, Sie sind…«
    »raus!« schrie ich und riß den Schlag auf. Er starrte ein wenig unsicher auf mich und bewegte die Beine. Mir ging’s zu langsam. Ich packte seine Anzugaufschläge und riß ihn von seinem Sitz.
    Ich tastete seine Taschen ab. Unterdessen waren zwei oder drei Männer herbeigekommen.
    »Halten Sie den Burschen fest«, wandte ich mich an sie. »Ich bin FBI-Beamter. Alarmieren Sie die Polizei, aber sorgen Sie besonders dafür, daß er nicht wegläuft.«
    Ich wandte mich um und lief auf das Haus zu, aus dem nach meiner Meinung der Schuß gefallen war, aber ich sah noch, wie sich die Männer auf den Burschen stürzten und ihm die Arme verdrehten. Ich raste die Treppe bis zur vierten Etage hoch. Einige Leute kamen mir entgegen. Klar, es war inzwischen lebendig geworden auf der 63. Straße.
    Das Haus war so gebaut, daß ein langer Flur an allen Räumen vorbeiführte. Eigentlich hätte es langwierig sein müssen, das Zimmer zu finden und doch war es ganz leicht, denn so, wie von außen gesehen nur ein Fenster offenstand, so war es hier eine einzige Tür.
    Ich betrat den Raum, ein einfaches Zimmer mit völlig unauffälligen
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