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0006 - Ich stürmte das graue Haus

0006 - Ich stürmte das graue Haus

Titel: 0006 - Ich stürmte das graue Haus
Autoren: Delfried Kaufmann
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»Der Junge dort auf dem Pflaster ist von jenem Fenster aus erschossen worden. Ich glaube, er ist der Mann, der die Abhöranlage im Falle Ruster abbaute, und ich vermute, er hat in diesem Haus ähnliches getan. Wir begegneten uns, als er aus dem Keller kam. Sieh nach, was er dort angerichtet hat. In der Vorhalle liegt noch seine Werkzeugtasche. Sie erschossen ihn, als sie einsahen, daß er mir nicht mehr entkommen konnte. Versuch in dem gegenüberliegenden Haus etwas über den Mann zu erfahren, der in dem Zimmer wohnte, über seinen Fluchtweg und so weiter, und sieh zu, daß ich bald alle Unterlagen habe. Mach’s gut, Less.«
    »… versichern wir Ihnen, daß Ihre Aufträge prompt und bestens erledigt werden, damit uns Ihre werte Kundschaft erhalten bleibt«, antwortete er mit einer leichten Verbeugung.
    Ich untersuchte den Wagen, mit dem ich aus der Welt befördert werden sollte. Meine Schüsse hatten keine edleren Teile verletzt. Der Motor sprang an, als ich startete.
    »Steigen Sie ein!« befahl ich meinen beiden Gefangenen. Ein Cop verstaute sie im Fond des schweren Lincoln. Er wollte zur Bewachung mitfahren, aber ich winkte ab und steuerte zum Hauptquartier.
    »Mr. High da?« fragte ich den Kollegen in der Zentrale.
    »No, kommt aber in einer halben Stunde wieder.«
    »Okay, dann fahre ich nach Hause und ziehe ein anderes Hemd an. Ich habe zwei Burschen im Auto. Laß sie herausholen und unterbringen — aber getrennte Zellen.«
    Als ich eine Stunde später zurück war, rief mich der Mann aus der Zentrale an.
    »Mr. High ist seit zehn Minuten zurück. Phil kam noch etwas früher. Der Chef hat einen von den beiden Leuten ins Büro bringen lassen!«
    »Nanu«, wunderte ich mich. Es war sonst nicht Mr. Highs Art, uns in irgendeiner Weise bei Untersuchungen, die wir führten, vorzugreifen.
    Ich ging zum Chefbüro, klopfte an und trat ein. Der Chef saß hinter seinem Schreibtisch. Vor ihm saß der Bursche, der mich über den Haufen hatte fahren wollen, und seitlich in einem Sessel hockte Phil. Das Ganze sah wahrhaftig eher nach einer freundlichen Unterhaltung als nach einem Verhör aus. Dieser James Gradness, oder wie er sich sonst, zum Henker, nennen mochte, rauchte ’ne Zigarette und hatte sogar ein Whiskyglas vor sich auf dem Tisch stehen.
    »Hallo, Jerry«, sagte der Chef und lächelte. »Entschuldigen Sie, daß ich Mr. Gradness ohne Ihre Genehmigung hochholen ließ, aber es schien mir in diesem Falle ratsam. Sie kennen sich ja.«
    »No«, antwortete ich. »Ich weiß nur, daß er mich überfahren wollte.«
    »Setzen Sie sich, Jerry«, forderte mich Mr. High auf, während mich dieser verdammte Gradness, wie ich fand, spöttisch musterte. Eigentlich sah ich ihn mir zum erstenmal richtig an. Er hatte ein langes, irgendwie englisch wirkendes Gesicht, schwarzes, an den Schläfen graues Haar, einen vollen graumelierten Schnurrbart und war, bis auf sein weißes Hemd und eine blaue Krawatte, in dezentes Dunkelgrau gekleidet.
    Ich lehnte Mr. Highs Sesselangebot mit Rücksicht auf meine strapazierte Sitzfläche ab. Schon die Fahrt im Wagen hierher hatte mir Qualen genug bereitet. Ich suchte mir einen bequemen Platz an der Wand.
    »Ich fürchte, hier haben einige Zufälle böse zusammengespielt«, sagte der Chef. »Mr. Gradness behauptet, er sei auf dem Weg zu seiner Bank gewesen, habe Sie zu spät gesehen und hätte nicht mehr rechtzeitig bremsen können.«
    »Er stoppte erst, als ich ihm einiges aufbrannte«, sagte ich.
    »Sie irren sich, Mr. Cotton«, nahm Gradness selber das Wort. »Ich hielt, als ich Sie angefahren hatte. Ihre Schüsse zwangen mich nicht dazu. Sie haben mich selbst in meinem Wagen hergefahren. Er wurde also durch Ihre Kugeln nicht ernsthaft beschädigt.«
    »Sie haben erst gestoppt, als die Schüsse fielen«, beharrte ich. »Ich weiß genau, daß die Stopplichter an Ihrem Fahrzeug erst aufflammten, als ich mindestens zweimal durchgezogen hatte.«
    Er lächelte höflich. Er machte jetzt einen ganz anderen Eindruck als vorhin auf der 63. Straße. Er war ruhig und von tadellosen Manieren.
    »Verzeihen Sie mir, wenn ich der Meinung bin, daß Ihnen solche Wahrnehmungen in Anbetracht des Sturzes, zu dem ich die unfreiwillige Ursache war, kaum mit Sicherheit möglich gewesen sein dürften. Abgesehen davon aber ist es durchaus denkbar, daß die Bremsleuchten nicht brannten, als Sie den ersten Blick auf den Wagen warfen. Ich fuhr ziemlich rasch, und Sie wissen als Fahrer selbst, daß man bei hohen
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