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0005 - Der Scharfrichter

0005 - Der Scharfrichter

Titel: 0005 - Der Scharfrichter
Autoren: Horst Friedrichs
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ist gekommen. Ich darf ihn nicht warten lassen.« Obwohl er die Anwesenheit des Polizeibeamten spürte, war sein Blick doch auf einen imaginären Punkt in der Unendlichkeit gerichtet.
    Der Sergeant sperrte den Mund auf. Erst jetzt sah er, daß der Bürgermeister nur mit einem wallenden Nachthemd bekleidet war.
    »Hölle und Teufel!« fluchte der Beamte, als das Stadtoberhaupt von Llangurig auf die Straße zustrebte, ohne ihn zu beachten. »He, Konstabler, stehen Sie nicht herum! Wir müssen…«
    Weiter kam der Sergeant nicht. Eben keimte noch der Gedanke in ihm auf, per Funk mit der Zentrale Verbindung aufzunehmen.
    Jetzt waren plötzlich alle Bewußtseinsregungen in ihm erloschen. In der gleichen versteinerten Haltung wie sein Kollege verharrte er auf dem Bürgersteig und starrte aus hervorquellenden Augen dem schwefligen Gelb entgegen, das jetzt schon fast die ganze Straße erfaßt hatte.
    Im Zentrum des Lichts bewegte sich die muskulöse Statur des Scharfrichters.
    Die blanke Klinge des Schwerts funkelte.
    Von den Häuserfassaden hallten die Schritte des Scharfrichters zurück.
    Bürgermeister Maronneck blieb auf der Mitte der Fahrbahn stehen. In gebeugter Haltung erwartete er den Tod. Seine Sinne spürten das Grauen nicht mehr, das auf ihn zukam.
    Keine zwei Meter vor ihm baute sich der Scharfrichter breitbeinig auf.
    »Knie nieder, Humphrey Maronneck!« erscholl seine hohle Stimme.
    Der Bürgermeister gehorchte. Er beugte den Kopf noch tiefer, als er auf die Knie sank und die Hände vor der Brust faltete.
    »Das Urteil über dich ist gefällt, Humphrey Maronneck!« fuhr der Scharfrichter mit unerbittlicher Härte fort. »Du weißt es, denn ich habe es dir mitgeteilt! Nun ist der Zeitpunkt gekommen… Zeit für dein letztes Gebet, Bürgermeister!«
    »Ja, Herr«, hauchte der Todgeweihte. Dann klangen seine leisen, monotonen Worte wie fernes Gemurmel durch die Straße. Er sprach das Gebet, dessen Text er nie gekannt hatte. Und doch war es das Gebet, das die Delinquenten schon vor Jahrhunderten auf dem Weg zum Schafott gesprochen hatten.
    »Genug!« befahl der Scharfrichter schließlich.
    Humrphey Maronneck gehorchte auch jetzt sofort. Ein Zittern ging durch seinen Körper, als er das Kinn fest auf die Brust drückte. Der kalte Nachtwind verstärkte sich und zerrte an seinem dünnen Hemd.
    Mit beiden Fäusten packte der Scharfrichter den Griff des Schwertes und hob es hoch über den Kopf, während er seitlich neben den Bürgermeister trat.
    Nur wenige Sekunden brauchte Gordon Basil Jones, um mit unheimlicher Sicherheit den tödlichen Hieb abzuschätzen.
    Dann schnitt der Stahl fauchend durch die Luft.
    Ein dumpfer Schlag folgte.
    Humphrey Maronneck existierte nicht mehr. Von einem Atemzug zum anderen war sein Leben ausgelöscht.
    Eine riesige Blutlache breitete sich auf dem Asphalt der Hauptstraße von Llangurig aus.
    Der markerschütternde Entsetzensschrei einer Frau gellte aus dem alten Patrizierhaus.
    Innerhalb von Sekunden verschwand der schweflige Lichtschein aus der Straße, schien den Scharfrichter in sich aufzunehmen und zu verschlucken.
    Die beiden Polizeibeamten lösten sich aus ihrer Erstarrung. Noch waren sie wie blind in der Dunkelheit. Doch sie wagten nicht, zu sprechen. Denn sie spürten den Hauch des Todes, der in ihrer Nähe war.
    Plötzlich flammten die Straßenlampen wieder auf.
    Erneut tönte ein Schrei aus dem Haus. Lichter wurden hinter den Fenstern der übrigen Gebäude eingeschaltet.
    Der grauenvolle Anblick ließ die Beamten wie unter einem Peitschenhieb zusammenzucken. Erst jetzt nahmen sie es bewußt wahr.
    »Mein Gott!« flüsterte der Sergeant. »Und es geschah vor unseren Augen…«
    ***
    Sie schleiften Zamorra durch ein Labyrinth von unterirdischen Gängen. So gut es ging, versuchte er, sich den Weg einzuprägen. Und ständig begleitete ihn das schrille Kichern der Dämonen, die voll teuflischer Vorfreude ihrem Ziel entgegenstrebten.
    Der letzte Gang endete vor einer Tür aus schwarzen Eichenbalken.
    Leise knarrend öffnete sich die Tür unter der geheimnisvollen Kraft, die die Dämonen auszustrahlen vermochten.
    Zuckende Flammen zweier Pechfackeln, die in eisernen Halterungen staken, erhellten die Folterkammer.
    Das Geifern und Kichern der Dämonen erfüllte den engen Raum. Mit einem dumpfen Laut fiel die Eichentür ins Schloß.
    Zamorra wurde von den Gestalten und dem Gluthauch ihres Atems umhüllt. Er sträubte sich jetzt zum erstenmal, als sie ihn an die nächstgelegene Wand
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