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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
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leichten Steigungen durch die Landschaft;
liebliche Hügel und weite Blicke entschädigen uns, Traktoren fahren wie
Spielzeuge über Wiesen und Felder.
    Leider
fühlen wir uns nicht wie aufgezogen, als nach einer schier endlosen Steigung
der Campingplatz in Sicht kommt. Der Flugplatz liegt auf einer windigen
Hochebene, der Zeltplatz noch ein Stück höher.
    »Warum nur
liegt der Platz so hoch ?« , fragt Ilse erschöpft den
Mann am Büro.
    »Because you are nearer to God !« ist die lakonische Antwort.
    Obwohl nicht
so ganz gläubig, müssen wir uns geschlagen geben. Ein paar junge Männer, die
ihn nach der windgeschütztesten Stelle fragen, bekommen es noch dicker:
    »Im nächsten
Hotel!«
    Hilfreich
sind sie doch, die Iren.
    Schnell ist
die windgeschützteste Stelle des Platzes von uns besetzt. Der Wind weht
günstig, treibt die Geräusche von uns weg, wir hören vom Flugplatz, der in
Sichtweite liegt, wenig. Nur wenige Maschinen starten und landen. Um so mehr hören wir die Traktoren der Farmer, die
Rasenmäher aus benachbarten Gärten und Musik aus Wohnwagen. Neben uns in der
Hecke zwitschert ein Vogel, und unser Transistorradio hat auch noch etwas Saft.
     
    Ausflug mit
dem Bus nach Kinsale, nach ‘Cionn ‘Tsail’, wie es auf einigen Straßenschildern
und Werbeprospekten steht. Von einer Bushaltestelle oder gar einem Fahrplan ist
nichts zu entdecken. Doch, doch, es gibt einen Bus, und er fährt nach Kinsale.
Die Frau in der Rezeption unseres Zeltplatzes ist beinahe beleidigt. Sie
beschreibt uns genau, an welcher Stelle der Landstraße der Bus halten wird,
und, nachdem sie einige Telefonate geführt hat , kann sie
auch mit Abfahrtszeiten dienen.
    Kurz darauf
warten wir an einsamer Stelle am Straßenrand, nichts außer unserem Wissen, daß
der Bus kommen wird, deutet darauf hin, daß er es auch wirklich tun wird. Wenn
wir nicht wüßten, daß Beckett ‘Warten auf Godot’ in Frankreich geschrieben hat:
hier hätte die Stelle sein können. Trotz einiger Wochen Irland, die wir hinter
uns haben, warten wir auf der falschen, der rechten Straßenseite in
Fahrtrichtung. Wir merken es noch früh genug. Der Bus kommt pünktlich.
    Eine Zwanzig-Kilometer-Fahrt
über schmale Landstraßen durch südirische, flache Landschaft liegt vor uns; mit
Weiden, Kornfeldern, kleinen Bauerndörfern. Heute haben wir keine Lust, uns auf
die harten Sättel zu schwingen, und geistig sind wir längst auf der Fähre. Ab
und zu, nach einem geheimen System, das nur der Fahrer und die einheimischen
Fahrgäste kennen, hält der Bus. Er hält auch auf Wunsch an anderen Stellen. Wir
bewundern dieses System — bei uns zu Hause ist das Anhalten auf freier Strecke
verboten, und trotz aller deutschen Gründlichkeit klappt so vieles nicht im
öffentlichen Verkehrsbereich.
     
    Kinsale bei
Sonnenschein, das Hafenstädtchen könnte am Mittelmeer liegen. Es wirkt gegen
Dingle sehr proper, einige Straßenzüge sind verkehrsberuhigt, rot gepflastert.
Sehr farbenfreudig, sehr englisch-irisch wirken die Hausfassaden, Lokale
wetteifern mit dekorativen Einfällen. Drei Kunstgalerien entdecken wir, eine
mit einem kleinen Café. Und eine Buchhandlung mit Antiquariat, im Wühlkorb vor
dem Eingang liegt unter anderen Büchern Christian Morgensterns ‘Palmström’ in
deutscher Sprache.
    Der alte
Hafen hat eine neue Marina für die Segler erhalten, trotzdem seinen gemütlichen
Charakter nicht verloren. Fischkutter, Segelboote, Ruderboote liegen in bunter
Reihe, die Leichtmetallmasten der Kunststoffboote wetteifern mit den am
Hafenrand sich wiegenden Bäumen.
    Gegen Abend
haben wir Glück. Es zeigt sich das weiche, gelbe Kinsale-Licht, das die
untergehende Sonne unter Wolkenschichten hervorschickt, als ginge der große
Weichzeichner durch die Landschaft.
    Nachdem wir
uns beim Fahrer vorsichtshalber nach der letzten Rücktour erkundigt haben,
wandern wir hinaus zur Buchtöffnung, zum Charles Fort von 1670. Ein
verwunschener Pfad unter Akazien führt am Ufer entlang, durch den Nebenort
Scylly, an Ginster-, Brombeer- und Fuchsienhecken vorbei, durch den Geruch des
Geißblatts, des ‘Je-länger-je-lieber’.
    Wir müssen
nicht unbedingt zum Fort wegen seiner Geschichte. Die Engländer festigten
seinerzeit damit ihre Herrschaft über die Stadt, nachdem irische Aufstände für
Unruhe gesorgt hatten und den Iren spanische Truppen zu Hilfe gekommen waren.
Die Engländer siegten, und eine Zeitlang durften keine Iren mehr in Kinsale
wohnen.
    Heute gehört
Kinsale den Iren
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