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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter
Autoren: Ulrich Straeter
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die Anzeigenabteilung des ‘Advertiser’ ist höchst zufrieden.
    Wir werfen
einen Blick zurück. Wo Engel ihre Flügel falten, kann der Teufel nicht weit
sein.
    ‘Schon am
Beginn des Aufstieges zum Mangerton Mountain genießt man den Blick auf das
Massiv des Purple Mountain und die Seen von Killarney.’
    Solch eine
Behauptung aus Reiseführern bedurfte der Überprüfung. Der Mount Mangerton bei
Killarney (2.756 Fuß oder 841 Meter Höhe) wartete auf uns. Oder auch nicht.
Jedenfalls war er da, auch wenn man ihn nicht sah ,weil er sich zuweilen in Nebel hüllte. Mit dem Berg wartete auch das Punschglas des
Teufels, the Devils Punch Bowl, auf unvorsichtige Kletterer.
    Die Räder
trugen uns die angekündigten vier Kilometer bis zum Abzweig zur Nordflanke des
Berges. Sie trugen uns auch noch die nicht angekündigten sechs Kilometer
Nebenstrecke bis zum Anfang des Fußwandersteiges.
    Berauschende
Aussichten waren versprochen. Nach den ersten zweihundert Metern Höhe über
Steine und Geröll, durch Gebüsch und sumpfige Wiesen erhaschten wir soeben noch
einen Blick auf den glitzernden Lough Leane, dann hatten wir die Wolkengrenze
erreicht. Dichter weißer Nebel umhüllte uns. Ob es diesen Berg überhaupt gab?
Nichts war mehr sicher. Ob der Teufel nicht längst, nachdem er ausgiebig am
Punsch genippt hatte, die Wegmarken ausgetauscht, verstellt oder gar versteckt
hatte?
    Und was
sollte das mit dem Punch Bowl? Was hieß Punch eigentlich? Punsch natürlich, das
war klar. Aber es hieß auch Faustschlag, Locher, Lochzange. Oder sogar Kasperle
und Hanswurst.Es war also noch nicht raus, wer hier wen vielleicht zum
Hanswurst machte.
    Die
pyramidenförmigen Steinhäufchen, genannt Steinmänner, die als Wegmarken dienen
sollten; die Gatter, die verrosteten alten Zaunpfähle; die Pferde- und
Eselspfade, auf denen sie früher schon die Touristen zum Gipfel geschaukelt
hatten: ob das alles stimmte? Und die Ebene, in mittlerer Höhe, auf der eine
für Irland siegreiche Schlacht getobt haben sollte? Hier oben eine Schlacht?
Unwahrscheinlich, und siegreich für Irland? Noch unwahrscheinlicher!
    Nebelschwaden
zogen hinauf, schneller als wir bei dem warmen Wetter. Wir waren
schweißgebadet. Der Teufel sollte das Punschglas holen, aber auch das ging
nicht, er hatte es schon.
    ‘Dann nimmt
das Gelände sich zurück’.
    So stand es
im Reiseführer. Das Gelände nahm sich zurück! Eine Zeitlang ging der Weg fast
eben weiter, wir brauchten nicht auf ihn zu achten, hätten uns ganz den
berauschenden Aussichten widmen können.
    Wenn uns der
Teufel den siebten Sinn und den Durchblick durch die Wolken verschafft hätte,
könnten wir sicher den Nordgipfel des Mangerton Mountains vor uns aufragen
sehen, rechterhand die kahlen Höhen der Macgillycuddys Reeks, des höchsten
Gebirgszuges Irlands. Und wenn man zurückschaute, tief unter uns, wären die in
dunkles Grün eingebetteten Wasserflächen des Lough Leane und des Upper Lakes zu
sehen; linkerhand, nach Osten zu, ein kleinerer See. Und weit, weit in der
Ferne, die Berge der Halbinsel Dingle ,wo das Wetter
gekocht wird.
    Weiß der
Teufel, ob wir einen der Steinmänner übersehen hatten, oder ob wir schon längst
auf der falschen Fährte waren, jedenfalls hatten wir den Weg verloren. Durch
das grobe Geröll eines trockengefallenen Baches stolperten wir weiter nach
oben. Nach oben war auf jeden Fall richtig.
    »Nicht, daß
wir auf dem Glenflesk landen«, warnte Ilse.
    »Auf so
einem Winzling? Der hat doch fünfhundert Fuß weniger, niemals !« keuchte ich, die durchweichte Wanderkarte in der Hand.
    »Da, ein
Steinmännchen!« Aus dem Nebel tauchten die Reste einer Wegmarke auf. Gerettet.
Um uns dichte Wolken.
    Dann hörten
wir es leise rauschen. Das mußte der Abfluß des Gipfelsees sein!
    Nach
zweihundert Metern über einen sumpfigen Wiesenpfad erreichten wir einen kleinen
Wasserlauf. Von einem See war nichts zu sehen. Langsam tasteten wir uns am
Wasserlauf entlang — plötzlich erblickten wir die schwachen Umrisse des Ufers,
weiter ging es nicht. Der See, des Teufels Punschglas, lag vor uns. Das andere
Ufer war nicht zu sehen.
    Wir hockten
uns auf einen der umherliegenden Felsen und packten, allen Teufeln zum Trotz,
unseren Proviant aus. Um uns dichte Wolken.
    »Nicht
gerade der beste Tag für eine Erstbesteigung«, bemerkte Ilse gerade, als uns
ein Geräusch aufschreckte. Ein Schaben, ein Rascheln, wie Schritte. The Devil?
Schnell drehten wir uns um. Nein, nicht der Teufel war es,
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